Recycling-Gips soll die Baubranche erobern : Datum:

Das Gipswerk CASEA in Ellrich leistet seinen Beitrag zum Schutz der natürlich vorkommenden Gips-Ressourcen. Es ist Mitinitiator des WIR!-Forschungsbündnisses „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“.

CASEA-Geschäftsführer Carsten Ketteler (l.) und Andreas Hübner (r.), Produktmanager Dr. Hans-Ulrich Kothe und Projektleiterin Dr. Grit Losch entwickeln neue Gips-Fertigprodukte
CASEA-Geschäftsführer Carsten Ketteler (l.) und Andreas Hübner (r.), Produktmanager Dr. Hans-Ulrich Kothe und Projektleiterin Dr. Grit Losch entwickeln neue Gips-Fertigprodukte © PRpetuum GmbH

Einige Scheiben Brot auf dem Teller, dazu ein Bier und im Fernsehen die Fußballübertragung – bei allem ist Gips eine wichtige Zutat. Finden lassen sich Gipsprodukte nämlich nicht nur in der Baubranche und der Medizin, sondern auch im Lebensmittelbereich. Gips, auch Calciumsulfat genannt, ist eine chemische Verbindung aus Calcium und Schwefel. Diese dient in Backmischungen zur Stabilisierung des Teigs; mit ihr wird das Wasser zum Bierbrauen auf den gewünschten Härtegrad eingestellt; und was auf dem Feld als Düngemittel landet, darf auch für Markierungen auf dem Fußballrasen verwendet werden – Gips in hochreiner Form. Naturgips bester Qualität lagert seit rund 250 Millionen Jahren am südlichen Rand des Harzes. Die Ablagerungen eines Urmeeres ragen hier als Ellricher Klippen aus der Landschaft. An alten Burg- und Kirchmauern in der Umgebung ist noch gut zu sehen, dass der einheimische Gips als Baustein und Mörtel genutzt wurde.

Gipsforschung im Auftrag der Zukunft

Carsten Ketteler und Andreas Hübner sind beide Geschäftsführer des Gipswerkes CASEA GmbH und kennen sich bestens mit Gipsprodukten jeglicher Art aus. „1869 ging im Ort die erste Gipsfabrik in Betrieb“, Carsten Ketteler erzählt die Vorgeschichte(n) der CASEA GmbH in Ellrich. Mit der Industrialisierung in den 1920er Jahren kam eine Eisenbahnlinie. Der Südharz entwickelte sich zum Zentrum der deutschen Gipsindustrie. Seit 2013 setzt die CASEA GmbH die Tradition von Gipsabbau und -verarbeitung an diesem Standort fort. Direkt vor den Werkstoren leuchten weiß die riesigen Lagerstätten. „Jetzt, wo Leichtbau im Trend liegt, erlebt Gips als energie- und materialsparender Baustoff eine Renaissance“, sagt Andreas Hübner und betont: „Zum nachhaltigen und klimaneutralen Bauen gehört aber auch, schonend mit den Ressourcen umzugehen.“ Die CASEA fokussiert sich verstärkt auf das Recycling von Gips als Beitrag für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. Das Werk ist Mitinitiator und wichtiger Partner innerhalb des Forschungsbündnisses „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“. Dieses wird vom Bundesforschungsministerium innerhalb des WIR!-Programms „Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert. Konkret geht es dem Bündnis darum, Abfälle von Gipsbaustoffen zu sammeln, diese zu recyceln und diese als hochwertiges wiederverwendbares Material wieder in den Stoffkreiskauf zurückzuführen. Seit beinahe zehn Jahren schon verwendet das CASEA-Werk für einige seiner Produkte den sogenannten Recycling-Gips, kurz RC-Gips. Bislang ein Alleinstellungsmerkmal in der gipsverarbeitenden Industrie. RC-Gips habe aber noch keine hohe Akzeptanz, obwohl sich mittels moderner Technologien hochwertiger Gips etwa aus Bauschutt rückgewinnen und wieder zu Baumaterial verarbeiten ließe, sagt Carsten Ketteler.

Hier werden in der werkseigenen Lagerhalle Baufertigprodukte wie Spachtel und Putze verladen
Hier werden in der werkseigenen Lagerhalle Baufertigprodukte wie Spachtel und Putze verladen © CASEA GmbH

Energiewende bringt RC-Gips in Stellung

Das Bündnis will das Image des RC-Gipses spürbar verbessern, denn mit der Energiewende ist die Zeit dafür reif. Durch den Kohleausstieg fällt eine Gipssorte weg, die bislang aus den Abgasen von Braunkohlekraftwerken gewonnen wird. Anfang der 1980er Jahre mussten die Werke gesetzlich vorgeschriebene Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) einbauen. Seitdem fällt dieser REA-Gips als Nebenprodukt an, doch in absehbarer Zeit ist damit Schluss. Die CASEA will die künftige Marktlücke mit recyceltem Gips füllen und leitet das kürzlich gestartete Teilprojekt Ecological Stucco innerhalb des WIR!-Bündnisses „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“. Denn der Einsatz von hochwertigem Recycling-Gips in Bauprodukten ist noch relativ unerforscht. EcoStuc will einen Gipsputzmörtel unter Verwendung von RC-Gips entwickeln, der sich nach den konventionellen Regeln der Handwerkstechniken verarbeiten lässt und die bestehenden Qualitätsstandards erfüllt.

Über vier Jahrzehnte Erfahrung mit der Entwicklung von innovativen Gipsprodukten hat Hans-Ulrich Kothe. Er gehört zu den zehn von 200 Mitarbeitern im Unternehmen, die sich mit diesbezüglicher Forschung beschäftigen. Kothe ist froh, dass er sein gesammeltes Fachwissen an junge Kolleginnen und Kollegen weitergeben kann. Zu diesen gehört Grit Losch. Sie hat an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg Chemie studiert und auf einer Gipstagung die beiden jungen CASEA-Geschäftsführer spontan gefragt, ob es im Unternehmen einen Job für sie gibt. So einfach kann das gehen.

Produkte, die noch niemand kennt

Jetzt managt Grit Losch das EcoStuc-Projekt, bringt die regionalen Partner zusammen. Aus der Wissenschaft etwa kommt die Materialforschungs- und -prüfanstalt MFPA der Bauhausuniversität Weimar, die auf Baustoffforschung spezialisiert ist. Auch die Hochschule Nordhausen wirkt beim Projekt mit. Im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes „Recyclingregion Harz“ prägte sie den Begriff „Wertstoffwende“ und füllt ihn seither mit Studieninhalten. Masterstudentinnen und -studenten erstellen ein Bedarfskonzept für Recycling-Gipsputz. Erfahrungen aus der Baubranche bringt die Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgung GmbH MUEG bezüglich der Entsorgung und Umweltsanierung ein. Handwerkerfirmen aus der Baubranche testen die Putzmörtel. „Wir wollen das EcoStuc-Projekt auch nutzen, unsere Produktinnovationen in der Region bekanntzumachen“, sagt Grit Losch mit Hinweis darauf, dass ja ein Absatzmarkt geschaffen werden müsse für die neu entwickelten RC-Baustoffe, die bislang noch niemand kennt. „Darum laden wir alle ein – von den Planern über die Bauträger bis zu den Anwendern – die EcoStuc-Entwicklungen zu verfolgen“, sagt sie und verweist auf das Technikum in Osterode. Hier werden die Versuche mit Estrich- oder Putzmörtel aus recyceltem Gips durchgeführt und die Qualität der Materialien kontrolliert. „Unser WIR!-Netzwerk will auch Einfluss darauf nehmen, dass Ressourceneffizienz zum Kriterium bei Ausschreibungen wird“, betont Andreas Hübner. Erst dann habe klimaneutrales Bauen eine wirkliche Chance.

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