Papier aus Gärresten : Datum:

Kein Baum muss gefällt und keine Pflanze extra angebaut werden für das biologisch abbaubare Papier, das aus den Fasern von Gärresten hergestellt wird. Damit es von der Verpackungsindustrie eingesetzt werden kann, wird an dessen Oberflächeneigenschaften geforscht.

In dem „magischen Labor“ der GNS probieren Alexander Jurczok, Thomas Meier und Dr. Ute Bauermeister erst einmal selber aus, ob sich ihre Ideen verwirklichen lassen.
In dem „magischen Labor“ der GNS probieren Alexander Jurczok, Thomas Meier und Dr. Ute Bauermeister erst einmal selber aus, ob sich ihre Ideen verwirklichen lassen. © PRpetuum GmbH

Ute Bauermeister und Thomas Meier führen Besucher gern durch ihr Labor. Hier ist zu sehen, dass die Experimentierfreude in der „Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung“ zuhause ist. GNS – die drei Buchstaben stehen für deutschland-, sogar europaweit anerkannte Kompetenz, was Beratung, Forschung und technische Entwicklungen zur Nutzung von Biomasse und biologischen Reststoffen betrifft. 1998 hatte sich die Gesellschaft in Halle (Saale) gegründet. Im dazugehörigen Labor probieren die Spezialisten für Natur- und Reststoffnutzung vieles aus, was ihnen durch den Kopf geht – zum Beispiel die Herstellung von Papier aus den Gärresten von Biogasanlagen. Dieses Papier schone das Klima, weil kein Baum dafür gefällt und auch keine Pflanze extra dafür angebaut werden müsse, erklären Ute Bauermeister und Thomas Meier. Die Chemikerin und der Verfahrensingenieur gehören zu deren führenden Köpfen der GNS. Wir nutzen die faserigen Rückstände aus den Biogasanlagen, denn die landwirtschaftlichen Abfälle werden nicht vollständig zu Gas verarbeitet“, erklärt Ute Bauermeister. Das aus den biologisch abbaubaren Restfasern hergestellte und nachweislich kompostierbare Papier könnte Umweltbelastungen entscheidend reduzieren. Doch um Akzeptanz in der Papierverarbeitungsindustrie zu bekommen, müsse das neuartige Faserpapier die von der Branche verlangten Gebrauchseigenschaften besitzen. Die in der Papierindustrie eingesetzten Maschinen zum Beispiel müssten das biologisch abbaubare Papier genauso bedrucken und verarbeiten können, wie die herkömmlichen Papiere. Keine Firma würde sich neue Maschinen anschaffen, sagen Ute Bauermeister und Thomas Meier. Unter anderem, um die gewünschten Oberflächenstrukturen zu erreichen, haben sich die GNS und Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zu einem Teilprojekt von GRAVOmer zusammengeschlossen. GRAVOmer koordiniert in Mitteldeutschland die Forschung und Entwicklung von mikrostrukturierten, intelligenten Oberflächen-Funktionen und wird innerhalb des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ vom Bundesforschungsministerium gefördert.

Faserpapier mit guter Bedruckbarkeit

Alexander Jurczok ist mit großer Lust am Tüfteln in dieses Bündnis eingetreten. Mit seinem Vater führt er eine Druckerei in Merseburg. Deren Name „allesbedruckbar“ ist wie ein Versprechen. Aber ohne Unterstützung durch die WIR!-Förderung könnten sich die Kleinunternehmer die Zeit für die Versuche mit dem Papier aus Gärresten gar nicht nehmen. Die feinen Fasern geben dem Papier ein eigenes Aussehen und eine besondere Haptik, also ein besonderes Empfinden beim Befühlen der Oberfläche. Sie mutet edel an trotz ihrer rauen Struktur. Ein Bio-Winzer aus der Saale-Unstrut-Region würde für seine Flaschen-Etiketten und Geschenkboxen genau dieses Bio-Papier gern einsetzen. „Vor allem soll es sich farblich ansprechend bedrucken lassen. Das ist eine besondere Herausforderung“, meint Druck-Experte Jurczok. „Papier aus Naturfasern saugt auf, da verlaufen die Farben und leuchten nicht so brillant.“ Im GRAVOmer-Projekt sollen nun Wege und Methoden gefunden werden, um dem Faserpapier die gewünschten Oberflächeneigenschaften zu geben. Natürlich sollen auch die einzusetzenden Papierleime, Farben und Beschichtungen biologisch abbaubar sein. Ein weiteres Problem wird auf dem Pullover von Alexander Jurczok offensichtlich: Eben hat er eine Papierrolle ins Labor von GNS getragen, nun hängt sein Pullover voller Fasern. Die sollen sich eigentlich nicht so leicht von der Papieroberfläche abrubbeln bzw. lösen. Es muss also eine Lösung gefunden werden, damit die Oberflächenstruktur auch beim Bedrucken, Falzen und Benutzen des Papiers erhalten bleibt. Der wissenschaftliche Partner des Bündnisses ist das Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren an der Technischen Universität Darmstadt. Zur Großproduktion des Bio-Papiers hat sich die BENAS Biopower GmbH gegründet und beteiligt sich als Bündnispartner an Forschung und Entwicklung zur Optimierung des Faserpapiers. BENAS Biopower bereitet die Fasern aus den pflanzlichen Gärresten der BENAS Biogasanlage auf. Die wird mit Biomassen von Landwirtschaftsbetrieben aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen beliefert.

Magisch grüne Produkte

Die Projektpartner werben inzwischen mit einer breiten Palette an Demonstratoren. Die zeigen schon einmal, was aus den faserigen Gärresten hergestellt werden kann, wenn es in der Papierverarbeitungsindustrie Einzug gehalten hat: Papiere verschiedener Stärke für Tüten und Tragetaschen, Umschlagpappen für Hefte und Ordner, Kartons für Präsent- und Versandverpackungen. „Faserpapier eignet sich auch gut für den Einsatz in der ökologischen Landwirtschaft und im Gartenbau – etwa als Material von Pflanztöpfen oder lichtdichten Mulchmatten, unter denen kein Unkraut wächst“, ergänzt Thomas Meier.

Allesamt schön und langlebig sehen die Produkte aus. Vom Modedesigner Louis Vuitton abgeschaut ist übrigens die Idee, die Papiere mit einem eigenen Markenzeichen zu bedrucken. Alexander Jurczok zeigt seine Probedrucke mit dem M-Logo. „M“ steht für „Magaverde“. Die Projektpartner haben ihrem Forschungsvorhaben diesen Namen gegeben. Er soll zur Marke werden. „Magisch“ steckt darin, und in dem italienischen Wort verde die Bedeutung von grün. „Unsere magisch grünen Produkte kommen aus der Erde, sind für den umweltschonenden Gebrauch bestimmt und zerfallen wieder zu Erde“, formuliert Ute Bauermeister die Philosophie von „Magaverde“. Wenn das Papier als Verpackung ausgedient hat, könne es zum Beispiel im Garten ein zweites Leben führen, etwa als Saatmarkierung an Beeten. Je nach Papierstärke und vorheriger Anwendung zerfällt es im Boden nach drei Monaten, spätestens nach drei Jahren zu Humus. Wer es gleich auf den Kompost oder in den Boden einbringt, sollte es vorher zerkleinern, empfiehlt Ute Bauermeister.

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