Neue Böden aus Klärschlamm und Biomasse : Datum:

Das Thüringer Forschungsprojekt „CarboMass“ treibt den Wandel der Abfallwirtschaft zur Wertstoffwirtschaft voran. Die Beteiligten entwickeln eine Anlage, in der aus Biomasse und Klärschlamm ein Bodenersatzstoff entsteht.

„Land der roten Berge“ wird der Südharz wegen seiner Kalihalden genannt.
„Land der roten Berge“ wird der Südharz wegen seiner Kalihalden genannt. © IMM GmbH

Imposante Kalihalden prägen das Bild des Südharzes als „Land der roten Berge“. Doch von den Salzhügeln, die der Kalibergbau hinterlassen hat, können auch Belastungen für die Umwelt ausgehen. Wenn Regen und Schnee die Salze aus den Kalihalden herauslösen, wird das Grundwasser verschmutzt. „Bislang werden verschiedene Abfallstoffe eingesetzt, um Halden abzudecken und zu begrünen. Hierzu zählen auch Stoffe auf Gipsbasis“, sagt Jantje Samtleben, wissenschaftliche Leiterin des Thüringer Innovationszentrums für Wertstoffe (ThIWert). Dessen Leitsatz ist es, Abfall als Wertstoff zu betrachten. Das Innovationszentrum wurde gemeinsam von der Hochschule Nordhausen, der Bauhaus-Universität Weimar und dem Institut für angewandte Bauforschung in Weimar gegründet.

Jantje Samtleben zeigt im Forschungsgewächshaus der Hochschule Nordhausen die ersten Versuchsergebnisse.
Jantje Samtleben zeigt im Forschungsgewächshaus der Hochschule Nordhausen die ersten Versuchsergebnisse. © PRpetuum GmbH

Dass immer mehr Gips recycelt und als Baustoff wiederverwendet wird, sei ja im Grunde positiv, findet Jantje Samtleben. Nur stehe dieser Gips nicht mehr für die Abdichtung der Halden zur Verfügung. Damit macht sie auf ein Problem aufmerksam: Wie können die Kalihalden künftig verfestigt und begrünt werden? Der Entsorgungsfachbetrieb Industrieabbrüche und Metallrecycling Menteroda IMM aus dem thüringischen Sollstedt hat dafür ein grundlegendes Konzept entwickelt.

Abfall aus Kläranlagen ist Wertstoff

Renaturierung – die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen – ist eines der Themen der Hochschule Nordhausen im Forschungsschwerpunkt „GreenTech“. Kürzlich startete hier das Projekt „CarboMass“, das im Rahmen der zweiten „REGION.innovativ“-Runde vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Neben der Hochschule Nordhausen (ThIWert sowie das Institut für Public Management und Governance zur Einbindung kommunaler Querschnittsthemen) und IMM beteiligen sich daran zwei Kommunen, ein Abwasserzweckverband und ein Wasserverband aus der Region. „Mit Kooperationspartnern aus Industrie, Gewerbe und Forschung reagieren wir auf Entsorgungsprobleme und entwickeln neue Technologien. So schaffen wir einen Mehrwert für die Umwelt und für die Menschen in der Region“, sagt die wissenschaftliche Leiterin des ThIWert Jantje Samtleben.

Hinter dem Namen „CarboMass“ verbirgt sich die Umwandlung von Klärschlamm zu Carbonisat und Restbiomasse zu Kompost. Deren Kombination ergibt den Bodenersatzstoff „CarboMass“, der die Voraussetzung für Pflanzenwachstum schafft. Deshalb eignet sich „CarboMass“ besonders dafür, Kalihalden abzudecken und kann so zur Renaturierung beitragen. Doch wie kommt man auf die Idee, Klärschlamm als Basis zu verwenden? „Klärschlamm fällt täglich bei der Reinigung kommunaler Abwässer an“, erklärt Anja Schreiber von der Hochschule Nordhausen. Im Anschluss wird er oft über weite Strecken zur Verbrennung transportiert. Bei einem Wassergehalt von ca. 80 Prozent wird dann quasi hauptsächlich Wasser transportiert und verbrannt. Das dabei freiwerdende CO2 belastet zusätzlich unser Klima. Für die promovierte Umweltwissenschaftlerin ist der Klärschlamm ein Wertstoff. Auch wenn damit Felder aufgrund der geänderten Gesetzeslage ab 2029 nur noch stark eingeschränkt gedüngt werden dürfen, sei er viel zu schade zum Verbrennen. Eine mögliche Lösung stellt deshalb „CarboMass“ dar: Bei der Herstellung des Carbonisats wird im Gegensatz zur Verbrennung CO2 gebunden, und der Nährstoffkreislauf bleibt bei der späteren Anwendung als Bodenersatzstoff erhalten. Insbesondere Phosphor muss laut Klärschlammverordnung über aufwendige Verfahren nach der Verbrennung rückgewonnen werden, was bei „CarboMass“ nicht notwendig ist.

Grundlage für Pflanzenbewuchs

Das CarboMass-Bündnis baut eine Pilotanlage, in der Klärschlamm bei Temperaturen von 500 bis 700 Grad Celsius in Carbonisat umgewandelt wird. Im Forschungsgewächshaus der Hochschule Nordhausen wird mit Gemischen aus Klärschlamm-Carbonisat und Kompost aus Restbiomasse experimentiert und getestet, welche Pflanzen darin besonders gut wachsen. CarboMass will ein Abdeckungsmaterial hervorbringen, das auf den Kalihalden eine gute Grundlage für Pflanzen ist, die üblicherweise in der Region wachsen. Die Erfahrungen aus dem Projekt sollen dabei helfen, durch den Bergbau zerstörte Landschaften zu rekultivieren und zugleich Abwasserzweckverbänden eine Alternative zur Klärschlammverbrennung aufzuzeigen.

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