Kohle nicht fördern, sondern vergraben : Datum:

CO2-negative Technologien sind gut für die Energiewende. Das Forschungsbündnis "InterPyro" will der Erde die Kohle zurückgeben. Mit einem Pyrolyseverfahren wird aus kohlenstoffhaltiger Biomasse Bio-Kohle, die die Bodenbeschaffenheit verbessert.

Pyrolyseanlage
Diese Pyrolyseanlage steht am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. © Fraunhofer UMSICHT

Nicht mehr Kohle fördern, sondern Kohle vergraben, um einen Beitrag zu leisten auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft – das klingt erst einmal abwegig. Doch gibt es gute, wissenschaftlich fundierte Gründe, daran zu glauben. Modernen Technologien, die der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen, gehören dazu. Die Schlüsseltechnologie heißt in diesem Fall „Pyrolyse“ und steckt in dem Projektnamen „InterPyro – Interkommunale Anwendung der Pyrolysetechnologie“. In Sachsen-Anhalt haben sich Kommunen sowie Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft in dem InterPyro-Bündnis zusammengefunden. Sie wollen Kohlendioxid in festen Kohlenstoff umwandeln und dafür Biomasseabfälle einsetzen.

Initiator des Vorreiter-Projektes ist der RKW aus Magdeburg. Der „Verein für Rationalisierung“ ging aus dem „Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit in Industrie und Handwerk“ hervor und feiert in diesem Jahr sein 100. Gründungsjubiläum. Nach wie vor fördert er Produktivität und Wirtschaftlichkeit vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen und ist dabei stets auf der Suche nach Innovationen.

InterPyro erhält vom Bundesforschungsministerium eine Förderung im Rahmen des Programms „REGION.innovativ – Interkommunale Zusammenarbeit zur Stärkung einer regionalen Kreislaufwirtschaft in strukturschwachen Regionen“.

Düngersubstrat aus Kohle und Biomasse

Bio-Kohle
Das Fraunhofer UMSICHT liefert die Bio-Kohle, mit der die Tests auf den Versuchsfeldern der Hochschule Anhalt starten. © Fraunhofer UMSICHT

In den Kommunen Wolmirstedt und Barleben im dünn besiedelten Landkreis Börde fällt die visionäre Idee auf fruchtbaren Boden im wahren Wortsinn. Die Schwarzerdeböden hier sind die fruchtbarsten in ganz Deutschland. Biomassereststoffe, Grün- und Strauchschnitt kommen hier ausreichend vor. Landwirte signalisieren großes Interesse an der Pyrolysetechnik – also an den thermo-chemischen Umwandlungsprozessen, in denen organische Verbindungen bei hohen Temperaturen und ohne Zuführung von Sauerstoff gespalten werden. Denn wenn es um Klimaneutralität geht, fällt negativ ins Gewicht, dass bei der Kompostierung, bei der Verbrennung oder Biogasproduktion sämtliches von den Pflanzen aufgenommenes CO2 wieder freigesetzt wird.

Die beiden Kommunen wollen – eingebunden in das InterPyro-Netzwerk – zu den Pionieren gehören, die deutschlandweit die erste Prozesskette entwickeln, um die Pyrolysetechnologie im großen Maßstab zur Verwertung von Biomasse einzusetzen. „Wir nutzen die spezielle Technologie des Thermokatalytischen Reformings, kurz TCR“, sagt Projektleiter Fabian Freundt. „Bei Verfahrenstemperaturen von 650 bis 700 Grad Celsius entsteht eine TCR-Kohle, die ausgezeichnete Qualität zur Bodenaufbereitung aufweist. Das Bio-Substrat – eine Mischung aus der Kohle und nährstoffreicher Biomasse wie Kompost, Pferdemist oder Gärresten, funktioniert als Dünger zur Wachstumssteigerung und erhöht die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens.“ Zudem könne die anfallende Bio-Abwärme zur Stromerzeugung genutzt oder in Fernwärmenetze eingespeist werden.

Klimaneutrale Verwertung von Bioabfällen

Seit Mai dieses Jahres werden vom Verein „Energieavantgarde Anhalt“ in der Region die Biomassevorkommen, die für das Thermokatalytische Reforming infrage kommen, sowie auch deren bisherige Verwertungskette erfasst. Diese soll ökonomisch bilanziert und mit dem TCR-Verfahren verglichen werden. „Es geht uns im Sinne des Klimaschutzes, der Biodiversität und der Sicherung unserer Ernährungsgrundlagen um die optimale Aufbereitung bislang schlecht genutzter Bioabfälle beziehungsweise um deren Rückführung in die Natur“, sagt Michél Schnitz von der „Energieavantgarde Anhalt“. „Wir wollen nicht in Konkurrenz zur bisherigen Biomasseverwertung treten, sondern Potenziale für zusätzliche Nutzungen ausschöpfen.“

Die Hochschule Anhalt entwickelt den Feldversuch. Auf ihren Versuchsfeldern in Bernburg-Strenzfeld testet sie im kommenden Frühjahr die Wirkung solcher Bio-Kohle, die aus den Versuchsanlagen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT stammt. Das Institut bringt seine Erfahrungen bei der Entwicklung einer mobilen TCR-Pilotanlage ein, die am Ende die Bio-Kohle im Technikum-Maßstab herstellen soll. Nachdem die Kohle auf bedenkliche Stoffe getestet worden ist, soll sie dann in Bodentests eingesetzt werden.

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