Joystick statt Lenkrad

Auf dem Gutshof Raitzen bei Dresden trifft sich das Team des Wachstumskerns „Feldschwarm®“ zur Abschlussveranstaltung. Während neben dem Kuhstall die Vorträge laufen, fahren auf dem Acker schon die ersten autarken Maschinen zur Demonstration.

Die erste vom Wachstumskern entwickelte Feldschwarmeinheit wird von einem autonomen, fahrerlosen Traktor gezogen, dem sie seine Lenkbefehle gibt. © PRpetuum GmbH

„Die Ära des Traktors ist vorbei“, ruft Michael Horsch, Chef des gleichnamigen bayerischen Landmaschinenbauers ins Telefon. Er kann nicht persönlich vor Ort sein und spricht stattdessen per Handy zu den Zuhörern im Saal. Die Verbindung ist schlecht, wie so oft im ländlichen Raum. Das muss sich ändern, wenn Unternehmer wie Horsch und die Forschenden des Wachstumskerns „Feldschwarm®“ ihre Ideen umsetzen wollen. Autarke Landmaschinen, die aus der Ferne bedient werden, brauchen ein stabiles, schnelles Netz. Selbst Michael Horsch, der von selbstfahrenden Landmaschinen anfangs wenig hielt, ist inzwischen überzeugt davon, vor allem vom positiven Effekt auf den Nachwuchs: „Die junge Generation ist digital aufgewachsen und der Umgang mit Touchscreen, Smartphone und Tablet fast schon angeboren“, sagt er. „Die Bediener sind schon da. Wir müssen den Anforderungen gerecht werden.“

Ferngesteuerter Schwarm

Jungen Leuten attraktive Arbeitsplätze zu bieten und sie für das Leben auf dem Land zu begeistern, ist auch den Beteiligten des Wachstumskerns ein Anliegen. Voraussetzung dafür sind neue Technologien, die Ingenieure, Informatiker, Logistiker und Maschinenbauer von „Feldschwarm®“ entwickelt haben. Vor vier Jahren startete das Team mit innovativen Ideen, jetzt fahren bereits die ersten Prototypen ferngesteuert über den Acker. Schon bald sollen ganze Schwärme von Ihnen unterwegs sein und das mühsame Bewirtschaften der Felder mit nur einer Maschine überflüssig machen. Statt am Lenkrad zu sitzen, könnte der Landwirt seine Maschinen künftig aus der Ferne steuern: mit Joystick oder Touchscreen. Für Thomas Herlitzius, einen der Koordinatoren des Wachstumskerns, ist das keineswegs nur Theorie. „Der Trend geht von großen Landmaschinen zu autonom operierenden, flexibel konfigurierbaren und skalierbaren Systemen mit elektrischem Antrieb“, sagt er. Das steigert die Effizienz und die Produktivität. Laut einer Studie im Jahresbericht des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE werden im Jahr 2045 in Westeuropa 80 Prozent der Landmaschinen autark arbeiten.

Diese Feldschwarmeinheit kann mit eigenem Antrieb völlig autark übers Feld fahren. Der Boden wird durch das austauschbare Werkzeug bearbeitet, das an der Maschine hängt © PRpetuum GmbH

Eigenständiges Arbeiten

Um zu zeigen, was schon jetzt möglich ist, haben die Wachstumskernpartner zwei selbstfahrende Systeme, sogenannte Feldschwarmeinheiten, zur Demonstration entwickelt. Mit einer Einheit ist eine hochautomatisierte Maschine gemeint, die mit verschiedenen Werkzeugen zur leichten bis mittelschweren Bodenbearbeitung ausgestattet ist. Eine der beiden Feldschwarmeinheiten, die FSE I, wird von einem autonomen Traktor gezogen, der seine Lenkbefehle von der angehängten Maschine über die sogenannte TIM-Schnittstelle bekommt. TIM steht für Tractor Implement Management. Die zweite Einheit, die FSE II, hat einen eigenen Antrieb, ist komplett autark und erkennt mithilfe einer Sensorik ihr Umfeld. Außerdem verfügen beide Einheiten über eine sogenannte Schwarmnavigation und können miteinander kommunizieren. Die Bediener sind lediglich dabei, um die Maschinen im Notfall zu stoppen. Die Live-Demonstration auf dem Feld ist beeindruckend. Allerdings wird es noch drei bis sechs Jahre dauern, bis die von „Feldschwarm®“ entwickelten Prototypen in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Die Projektpartner arbeiten nun daran, das Schwarm-Management und die Navigation zu verbessern sowie elektrische Antriebe und den modularen Leichtbau weiterzuentwickeln.

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