Gipsabfall als Wertstoff

Kohlekraftwerke produzieren nicht nur Energie und Kohlendioxid, sondern als Nebenerzeugnis unter anderem auch Gips. Doch das Ende der Kohleverstromung rückt näher. Die Hochschule Nordhausen und ihre Partner wollen deshalb Gips aus Abfällen gewinnen.

Gips Analysegeraet
Das Analysegerät untersucht Gipsabfälle auf Gipsgehalt, Qualität und Verunreinigung. © Quelle: PRpetuum GmbH

Naturgips bester Qualität lässt sich in unmittelbarer Nähe der Hochschule Nordhausen finden. Aber aus ökologischen und umweltpolitischen Gründen will nicht nur der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) den Gipsabbau in dieser schützenswerten Gipskarstlandschaft einschränken. Ein weiteres Problem: Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung steht in absehbarer Zeit auch kein sogenannter REA-Gips mehr zur Verfügung. REA steht für „Rauchgasentschwefelungsanlage“, aus deren Rückständen dieser Gips gewonnen wird. Deshalb haben sich die Hochschule Nordhausen und ihre Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft dem „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ verschrieben. Das Bundesforschungsministerium fördert das Bündnis im Rahmen des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“.

Katrin Schmidt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Nordhausen, weist darauf hin, dass REA-Gips derzeit in erster Linie als Baumaterial genutzt werde. Weil sich aus den Rückständen der Kohlverstromung Gips herstellen ließe, befänden sich in der Nähe von Kohlekraftwerken oft Produktionsstätten für Gipskartonplatten. Damit es künftig nicht zu einem Versorgungsmangel an Gips kommt, erkunden Katrin Schmidt und ihr Projektteam Wege zur „Rückführung sulfathaltiger Stoffe“. Darin steckt laut der Diplomingenieurin ein wichtiges Potenzial: „Von den im Jahr 2018 angefallenen 641.000 Tonnen Bauabfällen auf Gipsbasis wurden nur etwa 30.000 Tonnen dem Recycling zugeführt. 288.000 Tonnen Gips landeten auf Deponien anstatt in den nicht ausgelasteten Gipsaufbereitungsanlagen.“ Damit dieses riesige Potenzial an recycelbaren Wertstoff nicht ungenutzt bleibt, wurde 2010 das Thüringer Innovationszentrum für Wertstoffe (ThIWert) an der Hochschule Nordhausen gegründet. Hier betreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Industriepartnern angewandte Forschung, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wertstoff- und Kreislaufwirtschaft zu begleiten und zu unterstützen.

Ressourcen-Verschwendung auf Deponien

Auf einer Hallenfläche von etwa 1.000 Quadratmetern entstehen Forschungslabore. Diese sind ausgestattet mit Geräten, die unter anderem vom Bundesforschungsministerium finanziert werden. Katrin Schmidt übt mit ihren Handflächen von zwei Seiten Druck auf ein auf Stück des hier gesammelten Gipskartons aus, um zu veranschaulichen, wie Gipskartonplatten durch Mühlen zerdrückt werden, damit der Gips zerbröselt. Dies ermöglicht es, den Gips sortenrein von der der Pappe/dem Karton zu trennen. So der gewünschte Ansatz in der Theorie. In der Realität seien allerdings aus Gipskarton gefertigte Trockenbauwände in Gebäuden selten frei von Störstoffen wie etwa Elektroleitungen oder Steckdosen, weiß die Wissenschaftlerin aus der Praxis ihrer Bündnispartner zu berichten.

Regionale Unternehmen, wie beispielsweise das Bauunternehmen Henning führen Abriss-, Entkernungs- und Sanierungsarbeiten im Auftrag des lokalen Wohnungsbaus aus und lassen den Bauschutt zur Deponie bringen. Aus Sicht der Ingenieurin Schmidt ist das eine Verschwendung von Ressourcen. Dieser wollen die Partner des Verbundes „Gipsrecycling als Chance für den Südharz“ entgegenwirken, indem sie sich mit der Aufbereitung und Verwertung vom Gipsprodukten beschäftigen. „Wären Entsorgungsunternehmen in der Lage, die Gipsabfälle sortenrein zu trennen, könnte der Gips direkt wieder der Verwertung - etwa durch die Produktion neuer Gipskartonplatten - zugeführt werden“, sagt Katrin Schmidt.

 Dem Gips aus Gewerbeabfällen auf der Spur

Derzeit ist die Wissenschaftlerin „verdeckten“ Strömen von gewerblichen Gipsabfällen auf der Spur. Medizinische Gipse aus der Orthopädie und aus dem Dentallabor oder auch Gipse für Formen in der Keramikindustrie kommen in vergleichsweise kleinen Mengen vor und werden meistens mit dem Gewerbeabfall entsorgt. Sie stehen somit der Recyclingbranche nicht mehr zur Verfügung. „Aber auch diese Gipsmengen dürfen wir nicht vernachlässigen“, sagt Katrin Schmidt. Vor ihr steht ein Eimer voller Dentalgipse; diese wurden zum Beispiel verwendet, um Zahnspangen oder Zahnersatz anzupassen. Mithilfe hochmoderner Analysegeräte kann Schmidt solche Abfälle auf Gipsgehalt, Qualität und Verunreinigungen – sprich auf ihre Recycelbarkeit untersuchen.

Um auch die Kleinstmengen an ungenutzten Gipsabfällen sowie deren bisherige Entsorgungswege zu erfassen und auszuwerten, hat die Hochschule Nordhausen einen Fragenkatalog für die entsprechenden Akteure erarbeitet. „So wollen wir zuverlässige Angaben zu den entsorgten Gipsmengen aus unterschiedlichen Branchen in der Region ermitteln“, sagt Katrin Schmidt und führt aus, dass daraus eine Datenbank entsteht, in der sich diese Branchen und Unternehmen wiederfinden.