Feuerwehr punktet beim Nachwuchs mit Spieletechnologien : Datum:

Wenn die Freiwillige Feuerwehr Ludwigsfelde künftig VR-Brillen einsetzt, kann sie bei der jüngeren Generation punkten. Digitale Technologien und Künstliche Intelligenz machen die „Feuerwehr der Zukunft“ attraktiv – nicht nur für den Nachwuchs.

Feuerwehrnachwuchs Paul Meinhold sitzt im Einsatzwagen zwischen den Profis Linda Richter, Alexander Bogs und Patrice Fischer (v.l.).
Feuerwehrnachwuchs Paul Meinhold sitzt im Einsatzwagen zwischen den Profis Linda Richter, Alexander Bogs und Patrice Fischer (v.l.). © PRpetuum GmbH

Linda Richter erzählt mit leuchtenden Augen, dass sie für ihren Beruf „brennt“. Die 30-jährige Absolventin eines Soziologie- und Psychologiestudiums bezeichnet sich als „Feuerwehrfrau mit Leib und Seele“. Die Begeisterung für sportliche Herausforderung und der stete Reiz des Unbekannten hatten sie diese berufliche Laufbahn einschlagen lassen. Der gerade einmal halb so alte Paul Meinhold dagegen ist schon mit Feuerwehrkameradschaft und Wettkämpfen mit Titeln wie „Löschangriff nass“ aufgewachsen. Opa und Vater sind Feuerwehrmänner, und Paul ist seit fünf Jahren bei der Kinder- und Jugendfeuerwehr im brandenburgischen Ludwigsfelde aktiv. Andere seines Alters interessieren sich eher für Sportvereine oder Computerspiele. Ist vielleicht beides vereint bei der Feuerwehr zu finden? Wie muss die „Feuerwehr der Zukunft“ aussehen, damit schon bei den Jüngsten der Funken überspringt? Diese Frage will die Freiwillige Feuerwehr Ludwigsfelde in den nächsten Jahren beantworten. Sie ist gemeinsam mit der Stadt Ludwigsfelde Initiator des Innovationsbündnisses „WIR! – Feuerwehr der Zukunft“. Das wird vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert.

Feuerwehr 4.0

Paul Meinhold findet es spannend, im Einsatzwagen zwischen den Profis Patrice Fischer, Matthias Richter, Alexander Bogs und Linda Richter zu sitzen. Damit sich alle am Monitor ein Bild über den Brandort machen können, musste vorher der Geländeplan mit den darin gekennzeichneten Gefahrenquellen eingescannt werden.  Patrice Fischer weist dabei auf eine Herausforderung für seine Leute hin: „Wenn die brandenburgischen Wälder brennen, dürfen keine Löschkräfte hinein. Nach jahrzehntelanger militärischer Nutzung könnten sie hier immer noch auf Munition treten.“ Stadtwehrführer Fischer wünscht sich für die Zukunft  digitale Programme, die kombiniert mit künstlicher Intelligenz alles benötigte Wissen zur Brandbekämpfung automatisch zusammensuchen und bereitstellen. Von Vorteil wären auch Drohnen, die Bilder in Echtzeit erstellen und die ähnlich wie in Videospielen mit einem Joystick gesteuert werden können. Paul Meinhold findet es cool, dass er künftig seine Computer- und Videospielerfahrungen auch bei der Feuerwehr anwenden kann. Interaktionen zwischen Mensch, Computer und Umgebung, wie man sie aus der Spielewelt kennt, werden die Feuerwehr für die Jugend attraktiver machen, sind sich Linda Richter und Paul Meinhold sicher.

Die Einsatzbesprechung am Tag unseres Besuchs ist eine Trockenübung, aber Praxis-Atmosphäre kommt trotzdem auf. Und es wird deutlich: Während sich die Einsatzleitung konzentriert berät, kann sie nicht gleichzeitig im Blick behalten, wie viele der etwa 300 Kameradinnen und Kameraden tatsächlich zum Einsatzort eilen konnten. Die freiwillige Einsatztruppe kommt aus der Kernstadt Ludwigsfelde und elf eingemeindeten Orten mit eigenen Feuerwehren zusammen. Ein digitales Meldesystem, das Auskunft über verfügbare Einsatzkräfte geben würde, sagen die Einsatzleiter, wäre eine riesige Erleichterung.

Anwendungen aus der Spielewelt

Linda Richter erklärt Paul Meinhold die Bedienung der Sauerstoffflache.
Linda Richter erklärt Paul Meinhold die Bedienung der Sauerstoffflache. © PRpetuum GmbH

Linda Richter erklärt Paul Meinhold, wie er sich den Tragegurt anschnallen müsste, wenn es jetzt in einen echten Löscheinsatz ginge. Linda Richter ist eine der 55 Frauen im Team der Feuerwehr. „Ein Blick hinter die Kulissen hatte genügt für eine emotionale Initialzündung. Obwohl einige Männer immer noch denken, dass allein sie mit Technik umgehen könnten“, sagt sie. Deutlich wird ihr innerer Ansporn, sich bei der Feuerwehr zu beweisen – technisch wie auch sportlich. Nachdem sie Paul das Rucksacksystem erklärt hat, zeigt sie ihm, wie die Sauerstoffflasche bedient wird. Der Nachwuchsfeuerwehrmann darf sich auch die Brandschutzhaube über den Kopf ziehen, die Atemmaske darf er allerdings erst als Erwachsener aufsetzen. Erst dann sei er körperlich für diese Belastung geeignet, erklärt die Feuerwehrfrau und betont: „Trotz Einzug der Digitalisierung bleibt körperliche Fitness gefragt bei der Feuerwehr.“

Überhaupt: Woher wissen Frau und Mann, ob sie für den aktiven Lösch- und Rettungseinsatz geeignet sind? Die Feuerwehrleute berichten von Brandcontainern, in denen Trainierende ziemlich realen Bedingungen ausgesetzt sind. Doch solche Container zu entflammen, sei aufwändig und teuer. Die „Feuerwehr der Zukunft“ soll über VR-Brillen verfügen, mit denen diverse Gefahrensituationen in der virtuellen Realität simuliert und Basistechniken eingeübt werden. Das Bündnis habe schon Kontakte zum WIR!-Bündnis „Mixed Reality for Business (MR4B),  das bereits daran arbeitet,  MR4B Gamingtechnologien in die Arbeitswelt zu bringen, verkündet Patrice Fischer. Die Feuerwehr könnte von der Kombination von realer und virtueller Welt - nicht nur -aktuell, sondern auch langfristig - in Ausbildung, Training und beim konkreten Einsatz - profitieren. Mithilfe Künstlicher Intelligenz könne man das Wissen und sämtliche Erfahrungen von Feuerwehrleuten sammeln und als wertvollen Schatz an die Jugend weitergeben.

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