Klein und regional statt groß und zentral
Milch, Fleisch und Obst in hoher Qualität direkt vor Ort produzieren, verarbeiten und verkaufen? Das WIR!-Bündnis „Gemeinsam Regional Wachsen“ hat innovative Ideen, um eine Thüringer Region wirtschaftlich und sozial zu stärken.

Wie in vielen ländlichen Gebieten Deutschlands schwindet die Bevölkderung auch in vielen nord- und mittelthüringischen Dörfern. Vor allem Jüngere ziehen weg, dorthin wo es Arbeit gibt. Doch die Region verfügt über ein großes Potenzial: Über 40 Prozent der Anbauflächen von ganz Thüringen befinden sich dort. Landwirtschaft hat traditionell einen hohen Stellenwert. Dennoch haben kleine landwirtschaftliche Betriebe wirtschaftliche Probleme. Sie können ihre Produkte, wie zum Beispiel Milch, nur im rohen Zustand und zu kleinen Preisen verkaufen. Die Wertschöpfung, also die Bearbeitung und der Verkauf der fertigen Produkte, finden zentralisiert an anderen Orten statt. Dieser Entwicklung will das WIR!-Bündnis, bestehend aus Agrarbetrieben, Forschungs- und Kultureinrichtungen sowie kommunalen Verwaltungen, entgegenwirken. „Wir wollen regionale Wertschöpfungsketten für die Lebensmittelversorgung schaffen“, sagt Thomas Rüsch von der PromoTool-Innovationsagentur. „Es geht um eine effiziente Produktion, die es den Landwirten ermöglicht, auch mit kleineren Mengen eine solide Lebensgrundlage zu schaffen.“ Gefördert wird das WIR!-Bündnis vom Bundesforschungsministerium (BMBF) im Programm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“.
Bessere Bedingungen für Mensch und Tier

Kleine landwirtschaftliche Betriebe sollen die Region mit Lebensmitteln versorgen, so der Plan. Das klingt nach einem traditionellen Konzept, ist es aber keineswegs. „Uns geht es nicht darum, die Zustände im Dorf von früher wiederherzustellen“, sagt Dirk Barnewitz, Geschäftsführer des federführenden Forschungszentrums für Medizintechnik und Biotechnologie in Bad Langensalza. „Wir wollen stattdessen technische Lösungen finden, um schwere körperliche Arbeit zu ersetzen und Tierwohl zu ermöglichen.“ Dabei denken die Bündnispartner an mobile Lösungen, zum Beispiel für die Milch- und Fleischproduktion direkt vor Ort. Auf diese Weise würden Transportwege wegfallen, was das Tierwohl immens erhöht. „Dabei sollen sich Mensch oder Tier nicht nach der Technologie richten, sondern umgekehrt“, sagt Dirk Barnewitz. „Wir schauen, welche Bedürfnisse es gibt und wie wir da digital unterstützen können. Die Technologie sehen wir als Chance", ergänzt Elmar Hinz von der Hochschule Nordhausen.
Hochwertig, nachhaltig und sozial
Die landwirtschaftlichen Produkte sollen direkt am Erzeugungsort verkauft werden. Dafür ließen sich alte, leer stehende Gebäude nutzen und mit neuem Leben füllen. So könnten neue Dorfzentren entstehen, in denen man nicht nur einkauft, sondern sich trifft und miteinander austauscht. Schließlich will das Bündnis neben technischen auch soziale Innovationen hervorbringen. Zudem sind Handelskooperationen geplant: die frischen und qualitativ hochwertigen Produkte sollen auch Menschen aus anderen Gegenden direkt vom Erzeuger kaufen können. Um sie von der Qualität zu überzeugen, denken die Bündnispartner an Tracking- oder Monitoring-Systeme, mit denen die Aufzucht der Tiere oder die Herstellung von Milchprodukten virtuell nachvollziehbar wird. Mit der Revitalisierung ländlicher Regionen in Nord- und Mittelthüringen sollen sich die Bewohner mit dem Land, das sie selbst bewirtschaften, wieder stärker identifizieren können. Land, das inzwischen oft ungenutzt an Investoren verkauft wird. Es ist ein nachhaltiges, soziales Konzept mit vielen technischen Innovationen, das das Bündnis „Gemeinsam Regional Wachsen“ entwickelt hat. Es soll die Region attraktiver machen und der Wirtschaftskraft einen Schub verleihen.