Zuckerrüben-Region mit neuer Zukunft

Nebenprodukte der Lebensmittel- und Agrarindustrie enthalten stärke-, zucker-, protein- oder fetthaltige Stoffe, die zu neuen hochwertigen Erzeugnissen veredelt werden können. In der Region Zeitz soll eine biobasierte Wertschöpfung aufgebaut werden.

Ein Mann steht auf einem Zuckerrüben-Feld.
Zuckerrüben sehen einer neuen Verwendung entgegen. Sie lassen sich zu veganen Proteinen oder bakterieller Zellulose aufschließen.  © PRpetuum GmbH

In der Zeitzer Fabrik der Südzucker AG läuft gerade die Kampagne auf Hochtouren. Die fruchtbaren Böden der Region gehören seit über 150 Jahren zu den traditionellen Standorten des Zuckerrübenanbaus in Deutschland. Landwirte verdienten gutes Geld mit dem „weißen Gold“ – bis 2017 die EU-Zuckermarktordnung aufgehoben wurde. Seitdem gibt es keine Quote und keine festen Rübenpreise mehr. Die Landwirte dürfen Zuckerrüben anbauen, so viel sie wollen. Es kommt zu einem Preisverfall beim Rübenzucker – auch durch den vermehrten Import von billigerem Rohrzucker. „Hierzulande wird der Anbau von Zuckerrüben zunehmend unwirtschaftlich“, weiß Matthias Zscheile, Manager des BioEconomy Clusters Sachsen-Anhalt. Was tun, wenn doch Zucker- und Landwirtschaft zu den größten Arbeitgebern der Region gehören? „Wir wollen branchenübergreifende Kooperationen zwischen der Agrarwirtschaft und der ebenfalls hier ansässigen und identitätsstiftenden Lebensmittelindustrie sowie der Chemie gestalten und ganz neue Wertschöpfungsketten aufbauen“, blickt Matthias Zscheile in die Zukunft.

Proteine und Zellulose aus Zucker

„BioZ – Biobasierte Innovationen aus Zeitz“, heißt das Bündnis, das jetzt in seiner ersten Findungsphase vom Bundesforschungsministerium als WIR!-Bündnis unterstützt wird. Kernteam der Konzeptphase sind die PIC – Pi Innovation Culture GmbH, die InfraZeitz Servicegesellschaft mbH und der BioEconomy-Verein. BioEconomy-Clustermanager Zscheile weiß spannend zu erzählen von besagten Innovationen, die im südlichsten Zipfel Sachsen-Anhalts auf fruchtbaren Boden fallen könnten. Zucker zum Beispiel ließe sich in verschiedenen biotechnologischen Verfahren etwa zu veganen Proteinen oder bakterieller Zellulose mit völlig neuen Eigenschaften aufschließen. Deren Verwendung reicht vom Einsatz in der Kosmetik oder Pharmazie bis zu ganz neuen Produkten aus veganen Geweben oder Bioplastik. Der Einkaufsbeutel oder die Trinkflasche, gar Teile des Akkus könnten, so Zscheile, aus der Zuckerrübe hergestellt werden. Am Ende hätte das biobasierte Produkt auch eine positive CO2-Bilanz.

Larven in einer Hand.
Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege fressen Bioabfall und verstoffwechseln ihn u.a. zu wertvollen Fettsäuren. © Natalie Färber

Wie Reststoffe von Lebens- und Futtermitteln noch sinnvoll genutzt werden können, zeigen die Larven der Schwarzen Soldatenfliege. „Sie fressen den Bioabfall und verstoffwechseln ihn etwa zu wertvollen Fettsäuren. Bei der Pressung der getrockneten Larven werden die Fette zur weiteren Verwendung extrahiert. Das Pulver kann als Dünger und in Futtermitteln eingesetzt werden“, berichtet Matthias Zscheile über die innovativen Ideen von „madebymade“.

Neue Branchen entstehen

Start-ups wie „madebymade“, große Unternehmen wie die Südzuckergruppe , das regionale Netzwerk von über 100 kleinen und mittelständischen Unternehmen, der „Grüne Chemie- und Industriepark Zeitz“, das Deutsche Biomasseforschungszentrum oder das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse – alle sehen in der branchenübergreifenden gemeinsamen Entwicklung biobasierter Technologien und Produkte ein großes Innovationspotenzial für die Region. BioZ könnte ganz neuen Branchen den Weg bereiten, blickt Matthias Zscheile in eine Zukunft, in der Klimabewusstsein und ein nachhaltiger Lebensstil eine immer größere Rolle spielen. Er denkt an neue Aufgaben für die hier angesiedelte Bioökonomieforschung und -entwicklung und auch daran, die Generation „Friday for Future“ für die spannenden attraktiven Berufsfelder der Zukunft zu begeistern und als gut ausgebildete Fachkräfte in der Region zu halten, beziehungsweise hierher zu locken. Rübentransporte werden auch dann ihren Weg Richtung Zuckerfabrik Zeitz nehmen, wo die neuen Technologien zur weiteren Veredelung des „weißen Goldes“ umgesetzt werden.

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