30 Jahre Deutsche Einheit, aber auch 20 Jahre regionenorientierte Innovationsförderung des Bundesforschungsministeriums und 10 Förderprogramme: Das Jahr 2020 bietet viele gute Gründe zu feiern, zurückzuschauen und nach vorne zu blicken!
30 Jahre Deutsche Einheit – Innovationen schaffen Zukunft!
Der Videoclip „30 Jahre Deutsche Einheit – Innovationen schaffen Zukunft“ gibt einen Einblick in die Themen 30 Jahre Deutsche Einheit und 20 Jahre regionenorientierte Innovationsförderung des Bundesforschungsministeriums.
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Wer das Wendejahr 1989 und das Einheitsjahr 1990 miterlebt hat, hat seine ganz eigenen Bilder im Gedächtnis, seine eigenen Emotionen im Gepäck. Das betrifft in erster Linie die damals 16 Millionen Ostdeutschen, deren Leben sich binnen kürzester Zeit völlig gewandelt hat. Eine umfassende Bilanz kann es deshalb auf dieser Jubiläums-Website nicht geben. Eines aber ist klar: Die Deutsche Einheit ist eine „beispiellose Erfolgsgeschichte“, wie die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, feststellt. Im Interview wirft sie einen ganz persönlichen Blick zurück in das Jahr 1990 – und gibt einen Ausblick in die Zukunft strukturschwacher Regionen in ganz Deutschland.
Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung
BMBF/Laurence Chaperon
„Historischer Glücksfall, Erfolgsgeschichte und Auftrag für die Zukunft“
Bundesministerin Anja Karliczek im Interview
Frau Karliczek, was verbinden Sie persönlich mit dem Einheitsjahr 1990?
Im Sommer 1990 war ich 19 Jahre alt, hatte gerade mein Abitur gemacht, und das Leben lag vor mir. Das Gefühl grenzenloser Möglichkeiten konnte ich in diesem Sommer mit vielen anderen teilen. Denn rund ein halbes Jahr zuvor war die Mauer gefallen, die innerdeutsche Grenze war endlich offen, die Menschen in Ostdeutschland hatten sich ihre Freiheit erkämpft – friedlich, aber entschlossen. In diesem Sommer der Möglichkeiten war unser Land auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Ein Leben in Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit würde ab jetzt in ganz Deutschland möglich sein. Aber auch eines in Vielfalt – nach eigenen Überzeugungen, Ideen und Lebensentwürfen. Was für ein historischer Glücksfall, dieses Einheitsjahr 1990!
Welche Bilanz ziehen Sie nach drei Jahrzehnten Deutscher Einheit?
Die Deutsche Einheit ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Denn dass wir seit 30 Jahren vereint in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben, ist aus meiner Sicht die größte Errungenschaft unseres Landes. Unsere große Lebensqualität kommt dabei nicht von ungefähr: Sie basiert vor allem auf unserer leistungsfähigen, innovativen Wirtschaft. Das Weltwirtschaftsforum hat Deutschland schon zum zweiten Mal in Folge bescheinigt, das innovativste Land der Welt zu sein. Wir sind eine der stärksten Forschungsnationen der Welt, und dazu tragen alle Regionen Deutschlands gemeinsam kraftvoll bei. Darauf können wir wirklich stolz sein.
Wie hat das Bundesforschungsministerium zu dieser Entwicklung beigetragen?
Das Bundesforschungsministerium hat die Wissenschafts- und Innovationslandschaft zwischen Ostsee und dem Erzgebirge schon früh gefördert. Wir haben dort in den vergangenen 30 Jahren mehr investiert als alle anderen Bundesministerien. Ende der neunziger Jahre haben wir ein völlig neues Konzept entwickelt. Die Programmfamilie hieß „Unternehmen Region“. Ihr Start wurde zur Initialzündung für eine unternehmerisch ausgerichtete und an den einzelnen Regionen orientierte Innovationsförderung. Menschen aus unterschiedlichsten Disziplinen, Branchen und Organisationen saßen auf einmal an einem Tisch. Sie identifizierten die Stärken ihrer Region, suchten ein gemeinsames Thema, sondierten mögliche Märkte, erarbeiteten eine tragfähige Strategie, schmiedeten ein schlagkräftiges Bündnis und bewarben sich um eine Förderung im „Unternehmen Region“. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Sie sind bis heute, 30 Jahre nach der Einheit, sichtbar – und reichen weit in die Zukunft. Diese Leistung der Menschen vor Ort verdient unser aller Anerkennung.
Wir unterstützen alle Regionen, die den Strukturwandel aktiv gestalten möchten. Damit schaffen wir die Basis für gleichwertige Lebensverhältnisse.
Anja Karliczek
Das Jahr 2020 steht nicht nur für das 30. Jubiläum der Einheit, sondern auch für eine Neuausrichtung des Fördersystems. Was ist der Grund?
Wir sind ein Land, in jeder Hinsicht. Nach dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 haben wir als Bundesregierung ein neues, gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen auf den Weg gebracht. In 14 Bundesländern liegen Regionen, die mit besonderen Herausforderungen beim Strukturwandel konfrontiert sind – sei es in Bezug auf das Einkommen, die Infrastruktur oder die Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Erwerbstätigkeit. An der Küste und im Bayerischen Wald, in Sachsen und in Südniedersachsen, in Sachsen-Anhalt und im Saarland, in Brandenburg und Berlin, in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern: Wir unterstützen alle Regionen, die den Strukturwandel aktiv gestalten möchten. Damit schaffen wir die Basis für gleichwertige Lebensverhältnisse. Gerade in den strukturschwachen Regionen kann es nur dann einen nachhaltigen Wandel geben, wenn wir Bildung, Forschung und Innovation entscheidend voranbringen.
Welchen Beitrag leistet das BMBF im Rahmen dieses neuen gesamtdeutschen Fördersystems?
Inspiriert durch Erfahrungen aus zwanzig Jahren „Unternehmen Region“ haben wir die neue Programmfamilie „Innovation & Strukturwandel“ entwickelt. Erprobte Förderprinzipien wirken dabei weiter: Wir nutzen regionale Potenziale, etwa bei der Definition von Innovationsschwerpunkten und der Formierung von Bündnissen. Wir unterstützen eine offene Innovationskultur, die sich auch in neuen Formen des Arbeitens, Lernens und Zusammenlebens niederschlagen soll. Wir fördern die strategische Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure. Und nicht zuletzt legen wir bewusst einen weiten Innovationsbegriff zugrunde, der neben technologischen und Prozessinnovationen zum Beispiel auch soziale Innovationen ermöglicht.
Für die drei Einzelprogramme WIR!, RUBIN und REGION.innovativ haben wir ganze 333 Bewerbungen regionaler Bündnisse erhalten. Die 89 überzeugendsten unter ihnen haben wir für eine Förderung ausgewählt. Und ich kann schon ankündigen: Es ist noch lange nicht Schluss. Weitere Förderrunden und auch neue „Innovation & Strukturwandel“-Programme werden folgen.
Auf das Jahr 2020 fällt das 30. Jubiläum der Deutschen Einheit, aber auch das 20. Jubiläum einer Innovationsförderung des Bundesforschungsministeriums, die die Regionen in den Mittelpunkt stellt. Seit der Jahrtausendwende wurden im Rahmen von „Unternehmen Region“ und „Innovation & Strukturwandel“ etwa 600 Initiativen mit finanziellen Mitteln von rund 2,2 Milliarden Euro gefördert.
Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick
BMBF
Noch beeindruckender als diese Zahlen sind die weit über 10.000 Menschen, die sich bislang an den geförderten Initiativen beteiligt haben. Menschen, die mit ihrem Engagement, ihrer Überzeugungskraft und ihren Ideen begeistern. Menschen, die die vergangenen 30 Jahre nicht nur miterlebt, sondern mitgestaltet haben. Und Menschen, die diese spannenden Entwicklungen aus einer wissenschaftlichen Perspektive begleitet haben. Einige besonders beindruckende Persönlichkeiten können Sie nun kennenlernen:
Armin Berger ist Geschäftsführer der 3pc GmbH Neue Kommunikation und Koordinator des Wachstumskerns „QURATOR“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Als Internet-Pionier erlebte Armin Berger, wie sich in den 1990er-Jahren das World Wide Web als Tor zur internationalen Kommunikation öffnete. HTML, die Sprache, in der Websites geschrieben werden, fand der Kunsthistoriker und Theaterwissenschaftler von Beginn an logisch. Berger hatte einen rasant wachsenden Zukunftsmarkt vor Augen, als er 1995 mit zwei weiteren Enthusiasten die Berliner Internetagentur 3pc gründete. „Doch außer uns Visionären wollte damals kaum jemand eine Internetseite haben“, lacht er heute.
Inzwischen hat die digitale Kommunikation unsere Welt umgekrempelt. „Doch Informationsflut und Kommunikationsdruck sind negative Auswirkungen, denen nicht alle gewachsen sind“, weiß Berger. „Einen Teil dieser Probleme lösen wir im Wachstumskern ‚QURATOR‘.“ Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Bündnis entwickelt sogenannte Kuratierungstechnologien für die Recherche, Analyse, Kombination, Zusammenfassung und Anreicherung von Wissensinhalten. Die QURATOR-Technologieplattform holt relevante Informationen aus weitverzweigten digitalen Kanälen und setzt sie zu Geschichten zusammen – etwa in Gestalt des interaktiven Storytellings. Dafür setzen die zehn Bündnispartner aus Wirtschaft und Wissenschaft auf Künstliche Intelligenz. „Die Künstliche Intelligenz macht es möglich, enorme Datenmengen zu analysieren und zu strukturieren. Sie ist der Wegbereiter für die Transformation der digitalen Kommunikation“, ist Armin Berger sicher.
Gerade in diesem besonderen Jahr 2020 denkt er oft an die Aufbruchszeit der 90er-Jahre zurück. Mehr denn je erweise sich das Internet in der Corona-Krise als unentbehrliches Medium. Das zeigt nicht nur die Solidaritätsplattform Berlin (a)live, die 3pc gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa als unmittelbare Reaktion auf den Kultur-Shutdown ins Leben gerufen hat. Insgesamt öffnet sich die Gesellschaft wieder für die digitalen Möglichkeiten. Gerade hat 3pc dem Goethe-Institut einen dreitägigen Kongress im digitalen Raum ermöglicht. „Wir stehen wie zu Beginn des Internets an einem Wendepunkt“, stellt der Agenturchef fest und blickt in eine Zukunft, in der sich die Menschen auf analogen wie auf digitalen Kommunikationswegen begegnen, sich in realen wie in virtuellen Räumen treffen. „Wir entwickeln neue Tools, damit noch mehr Menschen die Vorteile des digitalen Zeitalters erleben können.“
Armin Berger: der „digitale Humanismus“
Armin Berger, Geschäftsführer der 3pc GmbH Neue Kommunikation in Berlin, erklärt die Idee des „digitalen Humanismus“.
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Mihaela Delcea vom Institut für Biochemie an der Universität Greifwald schildert die Vorzüge des Standorts Greifswald.
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Sie war in Bukarest, Bonn, Tarragona, San Sebastian, Basel – „aber alles an einem Platz zu haben, das ist hier einzigartig“, sagt Mihaela Delcea. Die 40-jährige Rumänin ist Professorin für Biophysikalische Chemie an der Universität Greifswald. Bis 2016 leitete sie hier eine Nachwuchsgruppe am Zentrum für Innovationskompetenz „HIKE“, seitdem verantwortet sie ein fünfjähriges Forschungsprojekt, das über einen ERC Starting Grant gefördert wird, den nur exzellente Nachwuchsforscher erhalten. Durch die Förderung von bis zu 1,5 Millionen Euro kann Delcea neben ihrer eigenen Stelle drei weitere Wissenschaftler finanzieren. Gemeinsam erforschen sie die Ursachen von Autoimmunerkrankungen. Zugleich zeigen sie, wie attraktiv die Gesundheitsregion Greifswald für Nachwuchswissenschaftler von internationalem Rang ist.
Prof. Dr. Mihaela Delcea leitet die Abteilung Biophysikalische Chemie an der Universität Greifswald und ist Mitglied des Zentrums für Innovationskompetenz „HIKE“.
Das spektakuläre Carbonbetonhaus CUBE entsteht derzeit in der Dresdner Innenstadt.
Institut für Massivbau TU Dresden
Manfred Curbach hat einen Traum, wie ihn Millionen anderer Menschen auch haben: einmal im Leben ein Haus bauen. Der Unterschied: Manfred Curbachs Haus ist weltweit das erste seiner Art – ein spektakulär gezeichnetes Gebäude ganz aus Carbonbeton. Der „CUBE“ entsteht seit Mitte des Jahres mitten in der Dresdner Innenstadt.
„Es liegt auf der Hand, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen und zu viel CO2 ausstoßen – wir müssen dringend umdenken!“, fordert Curbach, Direktor des Instituts für Massivbau an der Technischen Universität Dresden. „Deshalb ist der Baustoff Carbonbeton alternativlos. Er ist enorm leistungsfähig und ressourceneffizient“. Im Gegensatz zu herkömmlichem Stahl ist Carbon viermal leichter, sechsmal fester – und es rostet nicht. Damit sorgt es nicht nur dafür, dass Bauwerke länger halten; der Materialwechsel von Stahl- zu Carbonbeton ermöglicht eine Materialersparnis von bis zu 80 Prozent und reduziert den Energiebedarf und CO2-Ausstoss um bis zu 50 Prozent.
Diese Form von Grenzüberschreitung war nur im Rahmen von Zwanzig20 möglich.
Manfred Curbach
Ende der 90er-Jahre veröffentlichten Curbach und seine Kollegen erste Ergebnisse zum Thema Carbonbeton. „Damals wurden wir belächelt. Das sei ja nun Quatsch. Das Thema sei in drei Jahren tot“, erinnert sich Curbach heute an die Kritiker von einst. So richtig Fahrt nahm das Thema ab dem Jahr 2012 auf. Seitdem fördert das Bundesforschungsministerium das Konsortium „C³ - Carbon Concrete Composite“ im Rahmen des Programms „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“. Für Manfred Curbach hatte das einen ganz entscheidenden Effekt: „Wir haben es geschafft, Beteiligte unterschiedlichster Branchen und Disziplinen an einen Tisch zu bekommen. Dazu gehören das Baugewerbe, aber eben auch Forscher und Unternehmer aus solchen Industrie- und Wissensbereichen wie Chemie, Maschinenbau, Ingenieurwesen, Elektrotechnik, Organisations- und Kommunikationsmanagement. Diese Form von Grenzüberschreitung war nur im Rahmen von Zwanzig20 möglich.“
Rund 160 Partner aus allen ostdeutschen und einigen westdeutschen Bundesländern zählen heute zum C³-Bündnis und machen es zum größten Bauforschungsprojekt in ganz Deutschland. Ein weiteres Highlight: Im Jahr 2016 erhielt Curbach gemeinsam mit zwei seiner langjährigen Mitstreiter den Deutschen Zukunftspreis – den wichtigsten Innovationspreis in Deutschland. Der CUBE ist nun der vorläufige Höhepunkt – im Projekt C³ und im beruflichen Leben des Carbonbeton-Pioniers Manfred Curbach.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach ist Direktor des Instituts für Massivbau an der TU Dresden und Sprecher des Zwanzig20-Konsortiums „C³ – Carbon Concrete Composite“. Hier sitzt er auf einer Bank aus Carbonbeton.
Prof. Dr. Katja Hanack ist Inhaberin der Stiftungsprofessur Immuntechnologie an der Universität Potsdam und wurde von 2015 bis 2020 im InnoProfile-Transfer-Programm gefördert.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Die unternehmerische Forscherin
Katja Hanack | Potsdam
Eine Kamelfarm in Nassenheide bei Oranienburg. Die Inhaberin Gabriele Heidicke und Katja Hanack lauern auf den entscheidenden Moment. Jetzt! Geschickt fängt Heidicke den Urin des Kamels mit einem Reagenzglas auf. Nicht nur das Tier – auch Katja Hanack fühlt sich erleichtert. Denn was im Kamelurin steckt, ist entscheidend für ihre Forschungen.
Katja Hanack ist eine in Fachkreisen anerkannte Expertin für Antikörpertechnologien. „Wir wissen zwar immer noch nicht genau, wie manche Antikörper bei uns Menschen funktionieren, aber das macht es ja so spannend“, sagt die 42-Jährige und erklärt gern: „Antikörper docken sich an Fremdkörper wie etwa Bakterien oder Viren an – solange, bis Abwehrzellen kommen, um die Eindringlinge zu eliminieren.“ Auch außerhalb des Organismus seien Antikörper die am häufigsten genutzten Bindemoleküle, beispielsweise in Impfstoffen oder Nachweissystemen.
Der Bedarf an diesen Multitalenten ist deshalb groß. Allerdings: „Die biotechnologische Antikörper-Produktion im Labor war bis vor Kurzem ein langwieriger Prozess“, sagt Katja Hanack. Seit über zehn Jahren erforscht und entwickelt die promovierte Biologin Technologien, mit deren Hilfe Antikörper schnell, kostensparend und ohne Tierversuche produziert werden können. Beinahe seit Anbeginn wird sie dabei von den Förderprogrammen des Bundesforschungsministeriums unterstützt.
Mich reizt die Verknüpfung von Forscher- und Unternehmertum.
Katja Hanack
2008 übernahm sie die Leitung der InnoProfileInitiative „AntikörperTechnologien“ an der Universität Potsdam. Hier beschäftigte sich dann eine ihrer Nachwuchsforschungsgruppen speziell mit cameliden Antikörpern. „Die Antikörper von Kamelen sind kleiner und können in tiefere Gewebeschichten vordringen“, sagt Katja Hanack. „Sie sind hitzebeständiger, nicht so starr und können sich schneller binden.“
Seit 2015 ist Hanack Stiftungsprofessorin für Immuntechnologie, unterstützt vom Bundesforschungsministerium und einer Reihe mittelständischer Unternehmen aus der Region. Gemeinsam ist es gelungen, Antikörper von Kamelen, Mäusen und Menschen im Reagenzglas herzustellen und die Zeit dafür von acht auf zwei Monate zu verkürzen. Wissenschaft und Wirtschaft weltweit sind auf diese „Revolution im Labor“ aufmerksam geworden. Die Universität Potsdam freut sich über die Antikörperforschung als attraktives Aushängeschild und finanziert Katja Hanacks Stiftungsprofessur für weitere fünf Jahre. „Mich reizt aber auch die Verknüpfung von Forscher- und Unternehmertum“, sagt sie zur Ausgründung ihrer eigenen Firma new/era/mabs. Die Corona-Pandemie hat der Antikörperherstellung zusätzlichen Schwung verliehen. Die Frage ist nun, wie sich nicht nur ein Virus global verbreiten kann, sondern auch maßgeschneiderte Antikörpertechnologien aus Potsdam.
Katja Hanack: Antikörpertechnologien in Potsdam
Katja Hanack, Stiftungsprofessorin Immuntechnologie an der Universität Potsdam, schildert die Entwicklung des Themas Antikörpertechnologien am Standort Potsdam seit dem Jahr 2008.
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Uwe Cantner ist Professor für Mikroökonomik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).
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Uwe Cantner | Jena
Der Volkswirt Uwe Cantner über ost-/westdeutsche Unterschiede, über Exzellenzkriterien und über die Chancen des Strukturwandels in ganz Deutschland.
Herr Professor Cantner, wo steht Ostdeutschland 30 Jahre nach der Einheit?
"Ostdeutschland hat einen erheblichen Aufholprozess hinter sich – in ökonomischer Wohlfahrt und in gesellschaftlicher Integration. Es gibt immer noch Unterschiede, die sich aber recht gut erklären lassen. Ostdeutschland hat, relativ gesehen, mehr ländliche Gebiete als Westdeutschland. Es gibt hier im Wesentlichen keine Großunternehmen und auch weniger forschungsintensive Industrie. Diese Strukturunterschiede sind beim Vergleich zu berücksichtigen. Bei vielen Indikatoren, die nur auf Durchschnittswerte setzen, kommt heraus, dass Ostdeutschland immer noch 15 bis 20 Prozent hinterher ist.
Aber wenn man genauer hinschaut und Strukturunterschiede berücksichtigt, dann relativiert sich das Bild. So haben wir festgestellt, dass es gerade bei Innovationsaktivitäten ostdeutsche Regionen und Akteure gibt, die genauso gut sind wie die westdeutschen auf diesem Gebiet. Das gilt sowohl für die strukturschwachen als auch für die strukturstarken Regionen. So gesehen hat Ostdeutschland schon ziemlich gut aufgeholt, das ist nur nicht allen klar geworden. Die Annäherung ist im Detail größer, als man glaubt."
Mattes Brähmig ist im Zwanzig20-Konsortium „smart3“ in Dresden für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
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Der Hindernisläufer
Mattes Brähmig | Dresden
Technologen suchen oft den direkten Weg zum Ziel, Kreative denken häufiger in verschiedene Richtungen. Um etwas Innovatives zu entwickeln, sei es vorteilhaft, beide Denkweisen zusammenzubringen, sagt Mattes Brähmig. „Und genau das haben wir bei smart3 geschafft!“ Brähmig ist Marketing und Projektmanager beim Zwanzig20-Konsortium „smart3“. Das bundesweite Forschungsbündnis nutzt intelligente Materialien wie Formgedächtnis-Legierungen für neue Anwendungen, die zweckmäßig sind und dabei noch gut aussehen.
„Bei uns sitzen Designer und Ingenieure, Betriebswirtschaftler und Soziologen an einem Tisch“, sagt Brähmig. Dass es dabei fachliche und kommunikative Barrieren zu überwinden gilt, mache es für ihn umso interessanter: „Schließlich bewältige ich in meiner Freizeit als Obstacle Course Racer jede Menge Hindernisse.“
Mattes Brähmig: Zusammenarbeit mit Hindernissen
Mattes Brähmig vom Fraunhofer IWU in Dresden erklärt, wieso sich die Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Herangehensweisen trotz aller Schwierigkeiten lohnt.
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30 Jahre nach der Deutschen Einheit prägen Hochschulen die ostdeutsche Innovationslandschaft: Sie betreiben Spitzenforschung, bilden hochspezialisierte Fachkräfte aus und sind oft tief in ihrer Region verwurzelt. Dahinter stecken funktionierende Konzepte und kluge Köpfe – so wie Georg Rose, Universitätsprofessor im Medizintechnik-Mekka Magdeburg.
Rund 130 Jahre lang konnte sich niemand vorstellen, welche Art von Energie der „Speicher B“ einmal bereitstellen würde. Als das charakteristische Gebäude mit dem Sägezahndach 1888 in Magdeburg errichtet wurde, war seine Bestimmung klar: Zucker einlagern. Mittlerweile ist das Baudenkmal vom „Wissenschaftshafen Magdeburg“ umgeben – und mit seiner Eröffnung im März 2020 gilt der Speicher B als das neue Energiezentrum der Medizintechnik in Magdeburg und beherbergt den Forschungscampus „STIMULATE“.
Universität Magdeburg
Auf 3.300 Quadratmetern erforschen Ingenieure und Mediziner der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gemeinsam mit Unternehmen neue Technologien für bildgestützte, minimalinvasive Diagnosen und Therapien.
Universität Magdeburg
„Wir wollen den Wissenschaftshafen in Magdeburg langfristig zu einem Innovationszentrum ‚Medical Engineering Science Harbor – MESH‘ ausbauen. Durch die Zusammenarbeit im Forschungscampus STIMULATE und die daraus entstandenen Gründungs- und Ansiedlungsaktivitäten haben wir bereits zentrale Meilensteine erreicht“, sagt Georg Rose, Professor für Medizintechnik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und STIMULATE-Vorstandsvorsitzender. „Magdeburg entwickelt sich damit zu einem Hightech-Standort mit nicht nur bundesweiter, sondern auch weltweiter Sichtbarkeit.“
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Fotograph Harald Krieg)
Der Forschungscampus ist der vorläufige Höhepunkt eines kontinuierlichen Prozesses. Beginnend mit den Projekt Intelligente Katheter („INKA“) in den Programmen InnoProfile und InnoProfile-Transfer aus der Unternehmen-Region-Familie fördert das Bundesforschungsministerium seit 2008 die Entwicklung der Medizintechnik in Magdeburg, mittlerweile unterstützen auch das Land Sachsen-Anhalt und die EU die Magdeburger Medizintechnik.
INKA
„Bereits die erste InnoProfile-Förderrunde, in der wir das INKA-Projekt bearbeiten konnten, hat nicht nur wichtige Kräfte aus Universität und lokaler Wirtschaft mobilisiert und gebündelt, sondern auch den Bogen zur klinischen Anwendung geschlagen“, erinnert sich Georg Rose heute und resümiert: „Unternehmen Region hat die zentralen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich Magdeburg in der Medizintechnik zu einem technologieorientierten Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort entwickeln konnte, der im internationalen Wettbewerb konkurrieren kann.“
„Nur wenn wir wissen, woher wir kommen, wissen wir auch, wohin wir gehen“, sagt Katrin Rohnstock. Sie ist Inhaberin von Rohnstock Biografien und Entwicklerin des Erzählsalons. Zu wechselnden thematischen Schwerpunkten lädt sie Menschen ein, aus ihrem Leben zu erzählen, im Sommer 2020 auch digital im Projekt „30 Jahre Deutsche Einheit: Deine Geschichte – Unsere Zukunft“. In diesem Rahmen schildern Ostdeutsche verschiedener Generationen und Milieus, wie sie die gesellschaftlichen Umbrüche nach der Vereinigung erlebt haben.
Katrin Rohnstock ist Inhaberin von Rohnstock Biografien in Berlin.
Nora Klein Fotografie
„Die Auffassung, dass die Erfahrungen von gestern (Wende/Transformation) und vorgestern (DDR) für die Zukunft produktiv werden können, ist bisher wenig im öffentlichen Bewusstsein“, findet Rohnstock. „Ich glaube, Ostdeutsche werden umso mutiger, je offensichtlicher wird, dass die heutige Gesellschaft den zukünftigen Herausforderungen ziemlich ratlos gegenübersteht, seien es Klimawandel, Digitalisierung oder demografischer Wandel.“
Prof. Dr. Peer Pasternack ist seit 2004 Direktor des Instituts für Hochschulforschung (HoF) an der Universität Halle-Wittenberg und lehrt am dortigen Institut für Soziologie.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Herr Professor Pasternack, wie haben sich die ostdeutschen Hochschulen seit der Deutschen Einheit entwickelt?
In der ersten Hälfte der 90er-Jahre kam es zu dramatischen Verwerfungen: ein massiver Personalabbau, mehrere Einsparwellen, die Bologna-Reform. Erst seit rund 15 Jahren wird an den ostdeutschen Hochschulen nicht mehr gespart, dazu haben auch die Anstrengungen des Bundes bei der Mitfinanzierung beigetragen. Insgesamt hat eine Normalisierung und Angleichung an die westdeutschen Hochschulen stattgefunden.
Wo liegen die spezifischen Stärken, wo die Schwächen?
Die große Stärke der ostdeutschen Hochschulen liegt in ihrem außeruniversitären Forschungsumfeld. Gerade an den Standorten Dresden, Leipzig, Jena, Halle (Saale) und Potsdam wurde massiv in Einrichtungen der großen Forschungsorganisationen Fraunhofer, Leibniz, Helmholtz und Max Planck investiert; das zahlt sich jetzt aus. Gleichzeitig gelingt es den ostdeutschen Hochschulen noch zu selten, Leistungsträger der ersten Reihe dauerhaft zu binden oder selbst zu entwickeln, etwa durch Tenure-Track-Professuren.
Wo werden die ostdeutschen Hochschulen in zehn Jahren stehen?
Für mich sieht es so aus, dass wohl alle heutigen Standorte erhalten bleiben, und auch bei den in den letzten Jahren geschaffenen internen Strukturen bin ich optimistisch. In der Lausitz und in Sachsen-Anhalt sollte es infolge des Kohleausstiegs sogar neue, zusätzliche Strukturen geben. Ich denke auch, dass die Hochschulen – politische Anreize vorausgesetzt – die dringend benötigten Fachkräfte v. a. für strukturschwache Regionen ausbilden können. Und: Wenn es gelingt, Leistungsträger der ersten Reihe zu halten und weitere zu gewinnen, dürften die Hochschulen der ostdeutschen Flächenländer dann doppelt so viele Exzellenzuniversitäten und -cluster haben wie heute.
Ines Kästner ist Koordinatorin des Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) „B CUBE“ in Dresden.
Magdalena Gonciarz
„Es ist unglaublich: 2010 haben wir in einem Wohn- und Bürohaus über einem Fitness-Studio mit einer Handvoll Leuten begonnen und heute sitzen wir mit ca. 80 Mitarbeitern in einem tollen Neubau!“, freut sich Ines Kästner über die Entwicklung des Dresdner Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) „B CUBE“. Eine Professorin, vier Professoren und zwei Nachwuchsforschungsgruppen klären von der Natur hervorgebrachte Strukturen und Prozesse auf. Auf dieser Basis entwickelt B CUBE innovative Ingenieurskonzepte für neue Materialien, Maschinen und Technologien. Doch nicht allein die Größe begeistert Ines Kästner: „Unter dem Dach des Centers for Molecular and Cellular Bioengineering sind wir eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden und auch ein wichtiger Bestandteil der Exzellenzstrategie der Universität. Das ist eine tolle Entwicklung, die ich von Anfang an begleitet habe und die mich auch ein bisschen stolz macht.“
Peter Effenberg ist Geschäftsführer der transfermedia production services GmbH und Koordinator des Wachstumskerns „dwerft“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Der Filmdatenvernetzer
Peter Effenberg | Potsdam
Die Filmstadt Potsdam-Babelsberg ist schon immer sein Traum gewesen. Diesen Traum erfüllt sich Peter Effenberg (46) seit nun 25 Jahren als Produktionsleiter für Film und Fernsehen. Mittlerweile ist die Film- und Fernsehbranche auf digitale Metadaten angewiesen, damit Zuschauer ihre bevorzugten Sendungen möglichst schnell finden – im Fernsehen, in Mediatheken und auf Streaming-Plattformen. „Diese Metadaten vernetzen wir mit dem Wachstumskern "dwerft" direkt bei der Produktion von Filmen. Das ist ein völlig neuer Ansatz“, sagt Effenberg, dessen Firma transfermedia das Bündnis koordiniert. „Im dritten Jahrzehnt der Deutschen Einheit haben wir mit der dwerft in Babelsberg ein starkes Forschungsprojekt aufsetzen können, das die Digitalisierung der Branche vorantreibt.“
Peter Effenberg: Umbruch in der Filmbranche
Peter Effenberg, Geschäftsführer der transfermedia production services GmbH, schildert den Umbruch in der Film- und Fernsehbranche und beschreibt die Gestaltungsmöglichkeiten des Wachstumskerns „dwerft“.
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Dr. Carsten Mahrenholz ist Biologe, Chemiker, Wirtschaftler und Unternehmensgründer. Auf Basis der Forschungsergebnisse im ZIK „plasmatis“ entwickelte er ein Plasmamedizinprodukt, das nun auf den Markt kommt.
Nadine Bauerfeind
Welches Wort seine Persönlichkeit am besten beschreibe, wurde Carsten Mahrenholz vom USMagazin „Insights Care“ vor Kurzem gefragt. „Bold“ sei das perfekte Wort dafür, antwortete Mahrenholz – ein Begriff, der „kühn“ bedeutet. Oder auch „mutig“. Oder „fett gedruckt“. Und irgendwie passen diese Attribute alle ziemlich gut zu dem selbstbewussten Hessen. 2015 gründete Mahrenholz mit dem Medizinökonomen Tobias Güra das Startup Coldplasmatech. Mehr als 20 Auszeichnungen und Preise brachten die beiden in die Schlagzeilen, allen voran der Deutsche Innovationspreis 2018. Damit katapultierte sich Mahrenholz aus Sicht von „Insights Care“ unter die Top Ten der „Eminent Leaders in Healthcare 2020“.
Was Mahrenholz und sein Kollege vorhaben, erscheint auf den ersten Blick tatsächlich ziemlich kühn: Eine Wundauflage soll großflächige und chronische Wunden heilen – schmerzfrei, schnell und sicher. Kern der Coldplasmatech-Technologie ist das sogenannte kalte Plasma: ein angeregtes und nur etwa 37 Grad Celsius warmes Gas. Bereits innerhalb der nur zwei Minuten kurzen Behandlungen tötet das kalte Plasma selbst multiresistente Keime und befördert die Heilung.
Rückblick: Als Mahrenholz 2013 nach Greifswald kommt, hat er ein Biologie-, ein Wirtschaftsstudium und einen Doktor der Chemie im Gepäck und trifft an der Ostsee auf ideale Bedingungen. Das LeibnizInstitut für Plasmaforschung und Technologie (INP) verzeichnet gerade seine ersten Erfolge in dem damals noch jungen Forschungsgebiet Plasmamedizin. Die jahrelange Grundlagenforschung im Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) „plasmatis“ zeigt: Kaltes Plasma kann Wunden heilen. Noch im gleichen Jahr kommt der Wundheilungsstift kINPen®MED als erstes Produkt der Plasmamedizin auf den Markt.
Wir haben gezeigt, dass das, was das BMBF wissenschaftlich gefördert hat, auch am Markt funktioniert.
Carsten Mahrenholz
Für Mahrenholz ist die punktförmige Plasmaquelle des Stifts ein schöner Anfang. Doch er will in die Fläche – in doppelter Hinsicht. Deshalb hat das Startup eine Auflage für größere Wunden entwickelt und damit rund fünf Millionen Patientinnen und Patienten allein in Deutschland im Visier. Sie leiden an Diabetes, Dekubitus oder infizierten Brandwunden. Der Leidensdruck ist oft enorm und auch die Behandlungskosten: Coldplasmatech geht allein hierzulande von rund sechs Milliarden jährlich aus. Den Weg in diesen Milliardenmarkt ebnete im April 2020 die europaweite Zulassung als Medizinprodukt – eine erste Produktreihe ist bereits ausverkauft. „Wir haben gezeigt, dass das, was das BMBF wissenschaftlich gefördert hat, auch am Markt funktioniert“, freut sich Mahrenholz, der gerne in Vorpommern bleiben will: „Ich finde es wichtig, der Gegend, in der unser Unternehmen groß geworden ist, etwas zurückzugeben. Hier sind Fördermittel reingeflossen und auch das Land hat sich für die Plasmamedizin starkgemacht.“
Manchmal kann es ein Kampf sein, exzellente Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen. Das weiß Holger Fritzsche aus Erfahrung. Für das ehemalige Mitglied der Karate-Nationalmannschaft ist das aber kein Hindernis, sondern täglicher Ansporn. „In meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich mit dem Transfer der Medizintechnik aus dem Uni-Labor hinaus in die Industrie“, sagt der gebürtige Magdeburger. Gleichzeitig organisiert der 32-Jährige das „InnoLab IGT (Image Guided Therapy)“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Das Innovationslabor etabliert sich gerade als Begegnungsstätte von Forschern, klinischen Anwendern und industriellen Herstellern, die gemeinsam für den Erfolg minimalinvasiver Instrumente für bildgestützte Therapien kämpfen.
Holger Fritzsche leitet das „InnoLab IGT (Image Guided Therapy)“ an der Universität Magdeburg und ist Mitglied der InnoProfile-Transfer-Initiative „INKA – Intelligente Katheter“.
Vom Marktführer zum Sanierungsfall und zurück: Die Rotkäppchen-Sektkellerei hat eine wechselhafte Geschichte durchlebt. Seit 2013 lenkt Christof Queisser die Geschicke des traditionsreichen Familienunternehmens. Eines der Erfolgsrezepte: „Insgesamt wurden in die Modernisierung und Erweiterung der technischen Anlagen sowie in die Restaurierung der historischen Kelleranlagen in den 90er-Jahren rund 40 Millionen Euro investiert“, erzählt Queisser. 2001 kaufte die Sektkellerei die renommierten Marken „Mumm“ und „MM“ und ging damit klar auf Westkurs. Weitere strategische Zukäufe folgten, ebenso technische Modernisierungen und ein komplett vernetztes Warenwirtschaftssystem. 2019 produzierten 952 Mitarbeiter 310 Millionen Flaschen und erzielten bei Sekt einen Marktanteil von über 50 Prozent. Mit 1,1 Milliarden Euro Umsatz gehört die Tochter der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien zu den größten ostdeutschen Unternehmen.
Dr. Hanna Heidel-Fischer ist Forschungskoordinatorin des Zwanzig20-Konsortiums „InfectControl“ am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V. – Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Die Dolmetscherin
Hanna Heidel-Fischer | Jena
„Es ist eine enorme Herausforderung, in einem so großen Konsortium verschiedene Disziplinen und Interessen unter einen Hut zu bekommen“, sagt Hanna Heidel-Fischer. Als „InfectControl“-Forschungskoordinatorin kennt sie die unterschiedlichen Interessen von Forschenden und Unternehmen. Die 65 Konsortialpartner kommen aus unterschiedlichen Bereichen und sprechen völlig verschiedene (Fach-)Sprachen.
„Dennoch haben wir es geschafft, dass Mediziner mit Architekten oder Mikrobiologen mit Materialwissenschaftlern kooperieren und gemeinsam neue Strategien gegen Infektionskrankheiten entwickeln“, freut sich Heidel-Fischer. Momentan wird beispielsweise ein aussichtsreiches Tuberkulose-Antibiotikum klinisch getestet. Und es gibt einen Prototyp für ein neuartiges Krankenzimmer, dessen Architektur Infektionen besser verhindern kann.
Hanna Heidel-Fischer: von der Wissenschaft zur Anwendung
Hanna Heidel-Fischer vom Leibniz-Institut HKI in Jena über den Zusammenschluss von Wirtschaft und Wissenschaft im Zwanzig20-Konsortium „InfectControl“.
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Die Forschungsbedingungen in Ostdeutschland gehören inzwischen zu den besten weltweit.
Florian Kloß
Infektionen mit multiresistenten Erregern, gegen die kaum noch wirksame Antibiotika verfügbar sind, nehmen weltweit zu. Gleichzeitig fehlt es an neuen Antibiotika gegen einige Erreger. Vom Hans-Knöll-Institut in Jena aus koordiniert Florian Kloß die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika. „Es ist für mich ein Lebensziel, mit meiner Arbeit einen breiten gesellschaftlichen Nutzen zu schaffen“, sagt der 35-jährige Thüringer.
Derzeit arbeiten Kloß und sein Team an einem Wirkstoff gegen multiresistente Tuberkulose-Erreger. Gemeinsam mit dem Klinikum der LMU München und der HAPILA GmbH in Gera läuft derzeit die klinische Erprobung am Patienten. Der Standort Jena hat sich für Florian Kloß als optimal erwiesen: „In den letzten 30 Jahren gab es in Ostdeutschland eine steile Entwicklung. Die Forschungsbedingungen gehören inzwischen zu den besten weltweit.“
Dr. Florian Kloß ist Leiter der Transfergruppe Antiinfektiva am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – HKI in Jena und Projektkoordinator im Zwanzig20-Konsortium „InfectControl “.
Angela Kruth vom Leibniz-Institut INP in Greifswald über die Energieregion Nord-Ost und das WIR!-Bündnis „CAMPFIRE“.
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„Ammoniak bietet uns die Chance, einen innovativen Energieträger aus erneuerbaren Energien zu gewinnen und ihn für die marine Mobilität zu nutzen!“, ist Angela Kruth überzeugt. Am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) ist sie die tragende Säule des WIR!-Bündnisses „CAMPFIRE“, das dem grünen Ammoniak umfassend verpflichtet ist: von der Entwicklung hocheffizienter Dünnschichtmembranen über die nachhaltige Produktion bis zur Nutzung als Kraftstoff. „Mit der Entwicklung klimaneutraler Technologien arbeite ich an einer der größten Herausforderungen, die unserer Gesellschaft bevorstehen“, sagt Kruth. „So kann ich meinen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft leisten.“
Dr. Angela Kruth ist Chemikerin am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald und Sprecherin und Koordinatorin des WIR! – Bündnisses „CAMPFIRE – Wind und Wasser zu Ammoniak “.
Der jahrhundertealten Textilbranche muss der digitale Wandel gelingen – und wir sind auf dem besten Weg.
Andreas Berthel
„Mir war klar, dass Fensterstores aus der Mode kommen und Bekleidungsstoffe im Ausland billiger zu produzieren sind“, erinnert sich Andreas Berthel an die 90er-Jahre. Deshalb setzten die Gründer des Sächsischen Textilforschungsinstitutes e.V. (STFI) schon vor 20 Jahren auf technische Textilien und auf neue Märkte: Schnell interessierten sich der Maschinenbau, die Automobil-, die Bau- oder auch die Luftfahrtindustrie für TechTex aus Sachsen.
Das Bundesforschungsministerium begleitet den Wandel der mitteldeutschen Textilbranche bereits seit 1999: angefangen mit der InnoRegio-Initiative „INNtex“, bis hin zum aktuellen Zwanzig20-Konsortium „futureTEX“. Als Mitinitiator dieses Mega-Bündnisses mit rund 180 Partnern aus 14 Bundesländern hat Andreas Berthel Großes vor: „Der jahrhundertealten Textilbranche muss der digitale Wandel gelingen – und wir sind auf dem besten Weg.“
Dipl.-Ing.-Ök. Andreas Berthel ist Geschäftsführender Kaufmännischer Direktor beim Sächsischen Textilforschungsinstitut e. V. (STFI) in Chemnitz
Hon.-Prof. Dr.-Ing. Mirko Peglow ist Geschäftsführer der IPT Pergande GmbH und ehemaliger Nachwuchsgruppenleiter der InnoProfile-Initiative „NaWiTec“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Der Wirbelwind
Mirko Peglow | Weißandt-Gölzau
Im Jahr der Deutschen Einheit war Mirko Peglow 16 Jahre alt. Der Teenager wollte Ingenieur werden, wie sein Vater. Und noch ein zweites Vorbild gab es für den jungen Magdeburger: den Verfahrenstechniker Lothar Mörl, der in den 1970er-Jahren das Wirbelschicht-Trocknungsverfahren entwickelt hatte. „Ich war von der Technik fasziniert“, erinnert sich Peglow. „Später habe ich sogar bei Lothar Mörl promoviert. Schon damals habe ich geahnt, dass die wirbelschichtbasierte Granuliertechnologie noch ein enormes Potenzial hat.“ Mit der Wirbelschichttechnologie lassen sich flüssige Ausgangsstoffe in feste Granulate verwandeln, um sie etwa zu Medikamenten, Düngemitteln, Kosmetika oder Lebensmitteln weiterzuverarbeiten. Oder auch, um Keramikoberflächen von künstlichen Hüftgelenken zu beschichten.
Heute ist Mirko Peglow Geschäftsführer und Mitgesellschafter der IPT Pergande GmbH in Weißandt-Gölzau bei Halle. Das Unternehmen betreibt selbst 10 Wirbelschichtanlagen und baut sie auch schlüsselfertig für Kunden in aller Welt. Bis Ende 2021 werden Investitionen von rund 120 Millionen Euro in den Standort Weißandt-Gölzau geflossen und rund 220 Arbeitsplätze entstanden sein.
Mit dem Industriezeitalter 4.0 bekommen wir ganz neue digitale Werkzeuge.
Mirko Peglow
Neben seinem Vater und dem legendären Verfahrenstechniker Lothar Mörl hat eine dritte Persönlichkeit Mirko Peglow geprägt: Wilfried Pergande. Der Kölner kaufte 1990 per Handschlag eine Firma in Ostdeutschland und machte sie zum „Hidden Champion“ IPT Pergande, einem relativ unbekannten Mittelständler, der dennoch den Weltmarkt anführt. Dabei wurde der heute 76-jährige Pergande von mehreren Förderprogrammen des Bundesforschungsministeriums unterstützt – und seit 2008 von einem jungen Forscher an der Universität Magdeburg: Juniorprofessor und Nachwuchsgruppenleiter Mirko Peglow. In den InnoProfile-Initiativen „NaWiTec“ und im Wachstumskern „WIGRATEC+ –Wirbelschichtbasierte Granuliertechnologie“ wuchs zwischen den beiden ein Geschäfts- und Vertrauensverhältnis, das Mirko Peglow schließlich an die Unternehmensspitze führte. Und das dem Strukturwandel in der Chemie-Region Bitterfeld-Wolfen gewaltig Auftrieb gibt.
Doch das letzte Kapitel der Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht geschrieben. „Mit dem Industriezeitalter 4.0 bekommen wir ganz neue digitale Werkzeuge wie etwa den digitalen Zwilling an die Hand“, erklärt Peglow, der mittlerweile auch Vorsitzender des VDI-Landesverbandes Sachsen-Anhalts ist. Auch der modulare Anlagenbau ist ein Thema: „Selbst unsere haushohen Anlagen müssen flexibel und schnell auf sich ändernde Bedingungen reagieren können“. Flexibel sein und schnell reagieren: Das haben Magdeburger Ingenieure und auch Mirko Peglow schon immer ziemlich gut hinbekommen.
Mirko Peglow: Erwartungen an die Forschung
Mirko Peglow, Geschäftsführer der IPT Pergande GmbH in Weißandt-Gölzau, skizziert die Erwartungen an Forschungsinstitutionen aus Unternehmersicht.
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Constanze Roth ist Projektleiterin in der Forschungseinrichtung INNOVENT e.V. in Jena und Koordinatorin des WIR!-Bündnisses „Vogtlandpioniere“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Die netzwerkende Kunsthistorikerin
Constanze Roth | Jena
Sie bringt Menschen zusammen, die rein fachlich gesehen auf unterschiedlichen Planeten leben und völlig verschiedene Sprachen sprechen. Constanze Roth schafft es, Restauratoren und Materialwissenschaftler, Museumsdirektoren und Informatiker an einen Tisch zu bekommen. Das macht ihr Spaß und damit verfolgt sie auch ein klares Ziel: Kulturgüter mit neuen Technologien restaurieren, erhalten und nachhaltig schützen.
Dass sie Menschen aus so unterschiedlichen Bereichen zusammenbringt, hängt wohl mit ihrem eigenen Werdegang zusammen. Constanze Roth hat Kunstgeschichte studiert, mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern hatte sie eher wenig zu tun. Das änderte sich, als der Chef des Jenaer Instituts INNOVENT e. V., Bernd Grünler, 2013 auf die Leuchtenburg bei Kahla kam. Dort war Constanze Roth in der Marketingabteilung beschäftigt. Der studierte Chemiker hatte die Idee, Oberflächentechnologien, die an seinem Institut entwickelt wurden, für den Erhalt von Kulturgütern zu nutzen. Die Direktorin der Leuchtenburg-Stiftung war begeistert. Genauso wie Constanze Roth, die auf Grünlers Wunsch kurz darauf das vom Bundesforschungsministerium geförderte Innovationsforum „InnOKultur“ koordinierte. Es war der Beginn ihrer kreativen und äußerst erfolgreichen Netzwerkarbeit.
Die studierte Kunsthistorikerin wechselte von der Leuchtenburg zu INNOVENT, wo sie inzwischen gemeinsam mit ihren Kollegen die „Vogtlandpioniere“ managt. Das überregionale Bündnis wird im Rahmen des Programms „WIR! – Wachstum durch Innovation in der Region“ gefördert. Mit dem Bündnis will sie viel erreichen: „Wir wollen leerstehende Kulturdenkmäler mit kreativen Konzepten nutzen und neu beleben, innovative Technologien für die Sanierung einsetzen und dafür das Knowhow traditioneller Branchen im Vogtland nutzen, wie zum Beispiel der Textilindustrie.“
Wir wollen Kulturdenkmäler mit kreativen Konzepten beleben, innovative Technologien einsetzen und das Know-how traditioneller Branchen nutzen.
Constanze Roth
Es ist eine große Herausforderung, die unterschiedlichen Akteure in der strukturschwachen Region zwischen Sachsen, Thüringen und Bayern dafür zu begeistern. Nur wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, kann das ehrgeizige Projekt gelingen, das Vogtland nachhaltig zu verändern und wirtschaftlich zu stärken. Es ist eine einmalige Chance. Und es ist genau das Richtige für die netzwerkende Kunsthistorikerin Constanze Roth.
Dr. Anne Hartwig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam und am Zentrum für Innovationskompetenz „innoFSPEC“ auf dem Gebiet der physikalischen Chemie tätig.
privat
Frau Dr. Hartwig, welche Rolle spielt Ihre ostdeutsche Herkunft für Sie?
Ich wurde in Frankfurt (Oder) geboren, bin auch dort aufgewachsen und zur Schule gegangen. In Halle an der Saale habe ich Lebensmittelchemie studiert und auf dem Gebiet der Ingenieurwissenschaften promoviert. Ich denke tatsächlich nicht in Ostdeutsch- und Westdeutsch-Kategorien. Meine Herkunft spielt für meine Arbeit keine Rolle. Ich bin nach Potsdam gegangen, weil ich die Stadt und ihre Umgebung wunderschön finde und es von hier aus nicht weit bis in meine Heimat ist.
Welches wissenschaftliche Problem wollen Sie in 30 Jahren gelöst haben?
Als gerade sehr präsentes Problem sehe ich die Bewältigung des Klimawandels. Wir können dazu einen großen Beitrag leisten. Die alternativen Energiequellen und Technologien zur Minimierung des CO2-Ausstoßes beruhen alle auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auf den eigenen Forschungsbereich bezogen: Mit der Photonendichtespektroskopie kann ein Herstellungsprozess etwa von Zuckerkristallen inline und in Echtzeit überwacht werden. Bislang wird erst bei der Qualitätsprüfung des Endproduktes festgestellt, ob es den Anforderungen entspricht oder neu hergestellt werden muss. In 30 Jahren müssen ökologisch nachhaltige Produktionstechnologien Standard sein.
Milton T. Stubbs von der Universität Halle-Wittenberg erklärt, wie sich Halle (Saale) zu einem Zentrum der Proteinforschung entwickeln konnte.
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Der Gast aus Marburg war beeindruckt, als ihn eine Dienstreise 1997 nach Halle führte. „Diese Aufbruchstimmung hatte etwas Anziehendes“, blickt Milton T. Stubbs heute zurück. So anziehend wirkte die Saalestadt auf ihn, dass er 2002 der Berufung an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg folgte. Seitdem erforscht er hier die Struktur und Dynamik von Proteinen. 2006 stieg Stubbs in das Forschungsgebiet der Membranproteine ein mit der Initiierung des Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) „HALOmem“, das bis heute vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Der gebürtige New Yorker Stubbs freut sich ganz besonders über den internationalen Ruf der Halleschen Biotech-Forschung: Junge Wissenschaftler aus der ganzen Welt bewerben sich um Stellen in den Nachwuchsgruppen: wegen des modernen Neubaus, der spannenden Forschungsprojekte und der guten Geräteausstattung. Und nicht zuletzt wegen der Aufbruchstimmung, die in Halle immer noch zu spüren ist.
Milton T. Stubbs ist Professor für Physikalische Biotechnologie und Direktor des Zentrums für Innovationskompetenz „HALOmem“
Prof. Dr. Andreas Tünnermann ist Direktor des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik – IOF und des Instituts für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er war Mitinitiator und Sprecher des Zentrums für Innovationskompetenz „ultraoptics“ und leitet das Zwanzig20-Konsortium „3Dsensation“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Der Stratege
Andreas Tünnermann | Jena
Als im Jahr 2004 „ultraoptics“ startete, konnte niemand ahnen, welchen Schub das Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) dem traditionellen Optikstandort Jena geben würde. „Das ZIK war die Keimzelle für viele strategische Weiterentwicklungen“, bilanziert der langjährige ultraoptics-Sprecher Andreas Tünnermann. Mit dem Abbe-Zentrum für Photonik an der Friedrich-SchillerUniversität wurde das ZIK schließlich verstetigt. Heute nutzen es Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen und die Universität gemeinsam, um Zukunftsfelder wie die Nanooptik und Quantenforschung zu bearbeiten.
An einem wahren Quantensprung arbeitet derzeit ein bundesweites Zwanzig20-Konsortium von rund 70 Partnern, das Tünnermann leitet: „3Dsensation“ liefert fundamental neue Lösungen für die MenschMaschine-Interaktion und sichert so die Zukunft für Deutschlands wichtigste Exportbranchen.
Andreas Tünnermann: Effekte des ZIK „ultraoptics“
Andreas Tünnermann, Direktor der Fraunhofer IOF in Jena, berichtet, wie das Zentrum für Innovationskompetenz „ultraoptics“ die Entwicklung des Optik- und Photonikstandorts Jena geprägt hat.
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Ich finde die Vorstellung atemberaubend, dass Diagnose und Therapie künftig auf jeden Menschen individuell eingehen werden.
Wilhelm Zörgiebel
Dr. Wilhelm Zörgiebel ist Geschäftsführer der Molecular Diagnostics Group in Dresden und war Sprecher des Wachstumskerns „MBC – Biologisch aktivierte Oberfächen für Technik und Medizin“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Als er im Jahr 1990 von München nach Dresden zog, hatte Wilhelm Zörgiebel einen einfachen Plan: Er wollte Kombinate bei der Privatisierung unterstützen. Das klappte – und so einige unerwartete Unternehmungen auch. 1992 kaufte er mit drei Kollegen die Deutschen Werkstätten Hellerau und machte aus den historischen Möbelwerkstätten einen Treffpunkt für Technologen und Kreative.
Ab Mitte der 90er-Jahre baute der Wirtschaftsingenieur Zörgiebel ein kleines Biotech-Imperium auf, das heute mit rund 250 Angestellten rund 40 Millionen Euro im Jahr umsetzt. Zörgiebel entwickelte BSE-Schnelltests und Gen-Tests für Kriminalämter, bevor er die personalisierte Medizin als Zukunftsthema entdeckte. „Ich finde die Vorstellung atemberaubend“, sagt der 67-Jährige, „dass Diagnose und Therapie künftig auf jeden Menschen individuell eingehen werden.“ Noch heute profitiere sein Unternehmen vom Dresdner Wachstumskern „MBC“, den das Bundesforschungsministerium von 2007 bis 2010 förderte.
Wilhelm Zörgiebel: Biotechnologie in Dresden
Wilhelm Zörgiebel, Geschäftsführer der Molecular Diagnostics Group, beschreibt die Entwicklung des Biotechnologie-Standorts Dresden.
Copyright: BMBF
Ein Technologieunternehmen, das von drei Frauen gegründet wurde, ist noch immer etwas Besonderes, das bemerkt Carina Röllig immer wieder. Angefangen hat die Geschichte der Leipziger Webdata Solutions GmbH mit dem „WDILab“, das das Bundesforschungsministerium ab 2006 im Rahmen des ForMaT-Programms förderte. Das Besondere daran: Forscher verschiedener Fachrichtungen sollten gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftlern schon früh das Marktpotenzial ihrer Ideen ergründen. Im Idealfall klappte das so gut wie bei BWLerin Carina Röllig und ihren beiden Informatik-Kolleginnen Sabine Maßmann und Dr. Hanna Köpcke. Mit der Softwarelösung „blackbee“ sammelt das mehrfach prämierte Start-up weltweit eCommerce-Daten und bereitet sie für Hersteller und Händler auf, die auf dieser Basis ihre Preise und Sortimente festlegen.
Carina Röllig ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Webdata Solutions GmbH, die aus der ForMaT-Initiative "WDI-Lab" hervorgegangen ist.
Alexander Conrad ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der HNE Eberswalde und Koordinator des WIR!-Bündnisses „region 4.0“
Ulrich Wessollek
Der Nachhaltigkeit-Entwickler
Alexander Conrad | Eberswalde
„Mit region 4.0 wollen wir neue regionale Wertschöpfungsketten und eine nachhaltige Innovationskultur in der Region aufbauen“, sagt Alexander Conrad, Projektkoordinator und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNE) im brandenburgischen Eberswalde. Dafür hat das „WIR!“-Bündnis, das aus 50 ganz unterschiedlichen Akteuren besteht, bereits in der Konzeptphase einen breiten partizipativen Prozess losgetreten. „Neben technischen stehen dabei vor allem soziale Innovationen im Mittelpunkt unserer Strategie“, erklärt Alexander Conrad. „Unser Ziel ist, dass nach der Förderung möglichst viele der gemeinsam erarbeiteten Ansätze, Werkzeuge und Projekte in der Region fortbestehen.“ Und so entwickelt region 4.0 zum Beispiel eine regionale, wohnortnahe Versorgungsinfrastruktur für den ländlichen Raum. Dazu werden Linienbusse der Uckermärkischen Verkehrsgesellschaft für den Transport von Obst und anderen Waren genutzt.
Bob Fregin ist Diplom-Ingenieur, Doktorand an der Universität Greifswald und Mitglied der Nachwuchsgruppe Biomechanik am Zentrum für Innovationskompetenz „HIKE“.
PRpetuum GmbH
Herr Fregin, welche Rolle spielt Ihre ostdeutsche Herkunft für Sie?
Ich hoffe immer wieder, dass es in meiner Generation keine große Rolle mehr spielt, merke aber oft, dass dies leider nicht der Fall ist. Was ich daran nicht gut finde, sind die Rollenbilder, die oft zugeschrieben werden. Manchmal tritt die ost- bzw. westdeutsche Herkunft auch ganz plötzlich beiläufig in einem Gespräch zu Tage, wenn man Begriffe oder Markennamen verwendet, die dem anderen nicht geläufig sind. Mir passierte das in der Vergangenheit beispielsweise mit Halloren-Kugeln und dem Spülmittel Fit.
Welche Chancen haben sich durch den Mauerfall und die Deutsche Einheit für die Forschung in Deutschland eröffnet?
Offen gestanden, ist diese Frage für mich schwer zu beantworten, denn ich habe ja kaum einen Vergleich zur Situation vor den Jahren 1989/1990. So ist es für mich heute ganz selbstverständlich, nicht nur innerhalb Deutschlands zu reisen, sondern auch weltweit Konferenzen zu besuchen, um mich über aktuelle Forschung auszutauschen. Der Austausch mit Wissenschaftlern anderer Gruppen innerhalb Deutschlands wie über die Grenzen hinaus ist für mich gelebter Alltag und bereichert meine Arbeit.
Cornelia Hartzsch ist Inhaberin der Glaswerkstatt Hartzsch und Teil des WIR!-Bündnisses „Handwerk 4.0“.
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
Die bildende Künstlerin
Cornelia Hartzsch | Riesa
Die Geschichte von Cornelia Hartzsch’ Familienunternehmen reicht bis ins Jahr 1893 zurück. Seit über 120 Jahren entstehen in der Glaswerkstatt im sächsischen Riesa maßgefertigte Türen, Fenster und – seitdem Cornelia Hartzsch den Betrieb im Jahr 2013 übernommen hat – auch immer mehr Designobjekte und gläserne Kunstwerke. Doch damit ihr Traditionsbetrieb auch eine Zukunft hat, braucht es frische Ideen – und es braucht Fachkräftenachwuchs. „Meine Glücksmomente entstehen, wenn ich sehe, dass Kinder und Jugendliche entdecken, wie durch ihrer Hände Arbeit fantasievolle, verrückte und auch funktionale Dinge das Licht der Welt erblicken“, erzählt Hartzsch. Seit 2004 bietet die Glaswerkstatt deshalb eine Sommerakademie für Schülerinnen und Schüler an. Innovative Ideen wie diese fließen in das WIR!-Bündnis „Handwerk 4.0“ ein, das in der Elbregion Meißen neue Prozesse, Geschäftsmodelle und Bildungswege für das Handwerk entwickelt.
Cornelia Hartzsch: die Vorzüge des „WIR!“-Programms
Cornelia Hartzsch, Inhaberin der Glaswerkstatt Hartzsch in Riesa, erklärt, warum das Förderprogramm „WIR!“ des Bundesforschungsministeriums eine „coole Kiste“ ist.
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Henrik Paetzelt ist Geschäftsführer der Trionplas Technologies GmbH in Leipzig
BMBF/Innovation & Strukturwandel/Thilo Schoch
„Mit unserem Plasmajetverfahren können wir Freiformoptiken produzieren, die verschiedene geometrische Formen vereinen und herkömmliche Linsen ersetzen“, sagt Hendrik Paetzelt, Gründer und Geschäftsführer der Trionplas Technologies GmbH. Das 2016 gegründete Startup aus Leipzig hat ein Verfahren entwickelt, um Glaslinsen mit ungewöhnlichen Formen herzustellen. „Bestes Anwendungsbeispiel sind Weltraummissionen. Da kostet jedes Gramm sehr viel Geld und die Optiken müssen sehr spezielle Formen haben. Aber auch bei klassischen Optiken können wir mit unserem Verfahren beliebige Oberflächenformen herstellen und korrigieren.“ Neben den Optiken selbst liefert Trionplas Technologies auch die entsprechende Fertigungstechnologie. Auch international zählen mittlerweile große Unternehmen zu den Kunden.
Für ihr Start-up konnten Hendrik Paetzelt und sein Mitgründer Dr. Georg Böhm auf das Know-how des Leibniz-Instituts für Oberflächenmodifizierung e. V. zurückgreifen. Binnen zehn Jahren hatte ein Team um Professor Thomas Arnold die Plasmatechnologie entwickelt und in eine Maschine integriert, in der die Optiken bearbeitet werden konnten. Ein Mammutprojekt, das durch die BMBF-geförderten InnoProfile- und InnoProfile-Transfer-Vorhaben „Ultrapräzisionsbearbeitung mit atomaren Teilchenstrahlen“ ermöglicht wurde. Zum damaligen Forschungsteam gehörte auch Hendrik Paetzelt. Doch der Blick der Gründer geht nach vorne. „Wir sind in Gesprächen mit potenziellen Investoren und hoffen, dass wir die Verträge im Herbst unterzeichnen können“, sagt Paetzelt. „Wenn das klappt, wollen wir bis 2023 bis zu zehn neue Mitarbeiter einstellen und den Umsatz bis in den mittleren einstelligen Millionenwert steigern.“
Marcello Ambrosio ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Wildau.
Marcello Ambrosio ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Wildau.
BTU Cottbus-Senftenberg
Herr Ambrosio, was verbinden Sie ganz persönlich mit den Jahren 1989 und 1990?
Ohne den Mauerfall und die Deutsche Einheit könnte ich nicht hier im Brandenburgischen ein spannendes Zukunftsthema mit voranbringen – den Leichtbau mit Faser-Kunststoff-Verbunden. Im Rückblick ist mir das jetzt klar geworden. Ich wurde 1990 in Westberlin geboren und als Kind war für mich das wiedervereinigte Deutschland kein Thema. In den Ferien reisten wir in die Herkunftsländer meiner Eltern, nach Italien und Tunesien. Zu jener Zeit hatte ich von der Berliner „Insel“ aus wenig Berührungspunkte, weder zu West- noch zu Ostdeutschland.
Welche Chancen haben sich durch die Deutsche Einheit für die Forschung in Deutschland eröffnet?
Wenn jetzt viel von „Freiheit“ gesprochen wird, dann denke ich auch an die Freiheit, die ost- und westdeutsche Forschung, Wissenschaft und Industrie noch besser und nachhaltiger miteinander zu vernetzen. Konkret meine Arbeit an der BTU betreffend z.B. Kooperationen mit dem Fachbereich „Polymermaterialien und Composite PYCO“ am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung. Auch in der Öffnung zu Partnerländern, etwa zum Nachbarland Polen, liegt eine große Chance für unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das Land Brandenburg hat da noch einige ungenutzte Potenziale.
Mit dem Start von „REGION.innovativ“ umfasst die regionenorientierte Innovationsförderung des Ministeriums mittlerweile zehn Einzelprogramme in zwei Programmfamilien. Jedes der zehn „Unternehmen Region“- sowie „Innovation & Strukturwandel“-Familienmitglieder ist einzigartig und dreht an anderen Stellschrauben im Innovationsprozess.
Die 10 Programme
Für Bundesministerin Anja Karliczek ist die Deutsche Einheit ein historischer Glücksfall und eine Erfolgsgeschichte, aber auch „ein Auftrag für die Zukunft“. Und ist das nicht der eigentliche Sinn von Jubiläen: die Vergangenheit nicht um ihrer selbst willen zu würdigen, sondern um daraus etwas für heute oder vielleicht sogar für morgen zu lernen?
Lernen will das Bundesforschungsministerium deshalb auch von Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor? Konkret: Welche Innovationen sollen Ihre Region in den nächsten 30 Jahren voranbringen? Bitte beteiligen Sie sich an unserem digitalen Projekt „Next30! – Ein Blick in die Zukunft“ und schicken Sie uns Ihre Idee, ob als Video, Audio, Text, Foto oder Zeichnung – wir sind gespannt!
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