Corona bringt Telepflege voran

Das sachsen-anhaltische WIR!-Bündnis „Translationsregion für digitale Gesundheitsversorgung“ sieht die Corona-Krise als Innovationstreiber für eine digitale Infrastruktur in der Pflege. Denn: Die Pandemie mache deren Bedarf überdeutlich.

Gesundheits- und Pflegedienste arbeiten zur Zeit der Corona-Krise unter erschwerten Bedingungen. Gleiches gilt für pflegende Angehörige. „Für viele Probleme lassen sich digitale Lösungen finden“ – nicht erst jetzt vertritt Pflegewissenschaftler Patrick Jahn diese Meinung. Der Professor für Versorgungsforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gehört zu den Akteuren, die das Projekt „Translationsregion für digitale Gesundheitsversorgung“, kurz TDG, initiierten.

Patientin und Pflegerin schauen auf den Telepräsenzroboter, auf der der Arzt zu sehen ist
An der Uniklinik Halle wird der Einsatz des Telepräsenzroboters in der Pflege erprobt. © Universitätsmedizin Halle

Das im südlichen Sachsen-Anhalt, Nord-Thüringen und West-Sachsen agierende Bündnis wird vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert. Mit dem Fokus auf die ambulante Pflege und Gesundheitsvorsorge sowie auf das autonome Altern in häuslicher Umgebung geht es TDG um die Schaffung einer entsprechenden digitalen Infrastruktur. „Wir sahen zunächst in der demografischen Entwicklung Sachsen-Anhalts die besondere Herausforderung, aber niemand hatte eine Pandemie mit erheblichen Kontakteinschränkungen im Blick“, sagt TDG-Projektleiter Jahn. Er sieht die Corona-Krise auch als einen Innovationstreiber: „Der Bedarf an digitalen Lösungen in der Pflege wird aus dem akuten Geschehen heraus überdeutlich – für Mediziner, für das Pflegepersonal, für die zu Pflegenden und für deren Angehörige.“

Begegnung im virtuellen Raum

Gerade ist Ostern vorbei. Viele Familien saßen über Video-Konferenz am gemeinsamen Kaffeetisch. Facetime und Co waren die digitalen Helfer bei der Eiersuche oder bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Als Alternative zur fehlenden persönlichen Begegnung erlebe die digitale Begegnung einen immensen Schub, sagt Jahn und dass die soziale Isolation auf diesem Wege abzumildern sei. Was auch eine Option für die Zukunft sein kann: Jetzt als Notlösung gedacht, könnten Begegnungen im virtuellen Raum eine ergänzende Kommunikationsmöglichkeit sein. Das gälte für Ergotherapeuten wie auch für Familienangehörige. „Allerdings muss die Infrastruktur dafür geschaffen werden“, sagt Patrick Jahn und ergänzt, dass für Privathaushalte wie für Pflegeeinrichtungen der Zugang zur digitalen Technik noch ein logistisch wie auch finanziell ungelöstes Problem sei. Auch da müssten sich aus der Corona-Krise heraus Lösungen finden. Die TDG ist beispielsweise im Gespräch mit Wohnungsbaugesellschaften, die als Vorreiter auf dem Markt altersgerechte Wohnräume diesen Bedürfnissen entsprechend ausstatten wollen.

TDG als Soforthilfe

Aus abstrakten, bislang nur oberflächlich diskutierten Ideen könne jetzt Wirklichkeit werden, betont Pflegewissenschaftler Jahn und erwähnt die Telepflege. Die bekomme in Bezug auf Online-Beratung zwischen Medizinern, Pflegepersonal und Angehörigen eine neue Bedeutung – etwa bei der Frage, wie ein Wundverband zu wechseln ist, bei Ernährungsfragen oder bei der Anleitung zu therapeutischen Übungen wie etwa zur Sprachtherapie.

Jahn zieht den Einsatz des Telepräsenzroboters in Betracht. Erste Modelleinsätze in der Uniklinik Halle seien vielversprechend. Das vom Arzt oder einer Pflegefachperson gesteuerte mobile VoIP-System (Voice over Internet Protocol) erzeugt bei allen Gesprächsteilnehmern die Illusion, sich in derselben Umgebung zu befinden. „Es wächst gerade die Bereitschaft, dieses Hilfsmittel auszuprobieren“, sagt Jahn. Er sieht in der Corona-Krise eine große Chance für die „Translationsregion für digitale Gesundheitsversorgung“. Das WIR!-Bündnis sei prädestiniert dafür, Lösungen für diese Situation zu finden. „Wir machen Qualifizierungsangebote im Umgang mit den digitalen Techniken, entwickeln Apps und digitale Dienstleistungen. Eine große Herausforderung für unsere TDG-Initiative ist allerdings die Dynamik dieser Corona-bewegten Zeit. Wir wollen als ,Soforthilfe‘ vor Ort agieren und suchen mit Hochdruck nach Wegen, wie das am besten zu bewerkstelligen ist“.

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