„Ich stelle Antikörper aus Lamas her“

Pamela Holzlöhner liebt Kamele. Um ihnen nahe zu sein, muss sie nicht in ferne Länder reisen. Die 33-jährige Immunologin leitet an der Universität Potsdam ein Forschungsprojekt, das camelide Antikörper erforscht.  

Pamela Holzlöhner liebt ihr singendes Kamel. (Foto: PRpetuum GmbH)
Pamela Holzlöhner liebt ihr singendes Kamel. © PRpetuum GmbH

„Was ist das denn?“ Einer von Pamela Holzlöhners Kollegen beugt sich lachend über den Schreibtisch. Noch nie hat er gehört, dass dieses Kamel aus Plüsch singen kann. Orientalische Klänge nehmen den Raum des kleinen Büros ganz für sich ein; danach geräuschlose Stille. Pamela Holzlöhner lacht.


Seit sich die Wissenschaftlerin beruflich mit Lamas und Kamelen beschäftigt, bekommt sie „camelide Geschenke“. Dieses hier ist ein Tunesien-Mitbringsel von Freunden. Echte Lamas gibt es auch – zum Beispiel Alice, Nepomuk, Ferdinand und Tyson. Sie gehören einem Forschungspartner.

Kaum jemand versteht das

„Camelide Antikörper“ heißt das Forschungsprojekt, das am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam angesiedelt ist. Pamela Holzlöhner leitet die vom Bundesforschungsministerium geförderte InnoProfile-Transfer-Initiative. „Wir erarbeiten Technologien, mit deren Hilfe die Antikörper von Kamelen biotechnologisch hergestellt werden können“, sagt die 33-jährige Immunologin und weiß: „Außerhalb meines Kollegenkreises versteht kaum jemand, was ich da mache: Ich stelle Antikörper aus Lamas her“, bringt sie es oft auf den Punkt und erklärt dem Interessierten:

„Neben den herkömmlichen Antikörpern mit zwei schweren und zwei leichten Ketten haben Kamele auch Antikörper, die nur aus zwei schweren Ketten bestehen. Sie sind kleiner als herkömmliche Antikörper und können somit in tiefere Gewebeschichten vordringen. Außerdem sind sie hitzebeständig. Wegen dieser Eigenschaften dienen sie uns als Vorbild für in vitro hergestellte Antikörper.“ Wenn das gelänge, sagt die Wissenschaftlerin, könnten man Antikörper außerhalb des lebenden Organismus sehr schnell und in großen Mengen produzieren.



 

Ein bisschen verrückt

Aber so einfach lassen sich die Antikörper der Kamele leider nicht nachahmen. Gerade gelinge es ihrem Forscherteam, Antikörper herzustellen, die camelide Zellen erkennen können, erklärt Pamela Holzlöhner und holt tief Luft: Ja, für ein Wissenschaftlerleben im Labor müsse man schon die Geduld in persona, gar ein bisschen verrückt sein. Aber für eine ausgewogene Balance sorge ihr bunter Freundeskreis, in dem alle ganz unterschiedliche Berufe hätten. Und so stereotyp sei ihre Arbeit ja gar nicht, sogar sehr kreativ, weil man um die Ecke denken müsse.

Der Durchflusszytomat wurde speziell für das Projekt angeschafft. Hier analysieren die Wissenschaftler Zellen mittels Laser. (Foto: PRpetuum GmbH)
Der Durchflusszytomat wurde speziell für das Projekt angeschafft. Hier analysieren die Wissenschaftler Zellen mittels Laser. © PRpetuum GmbH

„Manchmal denke ich aber, ich hätte doch Anwältin werden sollen...“, scherzt Pamela Holzlöhner lachend. Dieser Mädchentraum war aus diversen Fernseh-Serien in den 1990er Jahren erwachsen. 2000 hat sie in ihrer Heimatstadt Plauen das Abitur gemacht. Da stand für sie felsenfest, dass sie Wissenschaftlerin werden möchte. „Biologie, Chemie, Mathe… ich war in allen naturwissenschaftlichen Fächern gut“, sagt sie. Ihre Wahl fiel auf ein Biologie-Studium in Leipzig. Dort wurde ihr so richtig klar, dass die Wissenschaftssprache Englisch ist. Für die reiselustige junge Frau Grund genug, den Rucksack zu packen. „Um mein Englisch zu perfektionieren, wollte ich mein Master-Studium im Ausland machen.“

Die Wahl fiel auf den Studiengang „Biotechnologie“ in Australien – nicht nur wegen der Wärme. Gegen andere Länder hätte sie sich auch aus politischen Gründen entschieden, erzählt Pamela Holzlöhner – und dass sie ein sehr politisch interessierter Mensch sei. In diesem Zusammenhang erwähnt sie ihre Familie, in der man sich über verschiedene Ansichten sehr gut austauschen könne, ohne sich zu zerstreiten.

Eine neue Ära beginnt


Pamela Holzlöhner (links) und Katja Hanack (rechts) auf der Kamelfarm von Gabriele Heidicke in Nassenheide. (Foto: BMBF/Unternehmen Region/Thilo Schoch)
Pamela Holzlöhner (links) und Katja Hanack (rechts) auf der Kamelfarm von Gabriele Heidicke in Nassenheide. © BMBF/Unternehmen Region/Thilo Schoch

Eine australische Nationalflagge in handlicher Größe ist in ihrem Büro auf dem Unicampus in Potsdam-Golm stationiert. „Australien ist mein Traumland“, meint die junge Frau und schiebt nach: „für mein Rentnerdasein vielleicht.“ Für den Start in ihr Wissenschaftlerinnen-Leben hatte sie sich auf Promotionsstellen in Deutschland beworben. Die Entscheidung fiel auf die Berliner Charité. Ihr Thema „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“ hatte allerdings noch so gar nichts mit Kamelen zu tun. Sie lacht. „Aufs Kamel gekommen“ sei sie mit ihrer Freundin Katja Hanack. Die war zur gleichen Zeit als Postdoktorandin an der Charité.


 

Im Jahr 2008 wechselten beide an die Universität Potsdam, um ein Forschungsprojekt zu übernehmen. Darin ging es um die Erarbeitung neuer oder abgewandelter Antikörper-Technologien, die eine schnellere Produktion erlauben. Schon dieses Projekt wurde vom Bundesforschungsministerium gefördert. „Antikörper werden für die Herstellung von Nachweissystemen – unter anderem für die Diagnose verschiedenster Krankheiten – benötigt. Die Anforderungen an Schnelligkeit und Präzision der Testsysteme bei gleichzeitig geringen Produktionskosten steigen stetig“, sagt Pamela Holzlöhner.

„Irgendwann sind wir über unsere Kooperationspartner dann auf die Antikörper von Kamelen und Lamas gestoßen“, erzählt die Wissenschaftlerin und kündigt an: „Wir stehen am Anfang einer neuen Ära der Antikörperherstellung.“ Dieser interessanten und bahnbrechenden Forschungsarbeit nachzugehen, sei momentan ihr größtes „camelides Geschenk“.


Nähere Informationen zur InnoProfile-Transfer-Initiative Camelide Antikörper finden Sie hier.